GESTERN ERÖFFNETE EURO DISNEYLAND — DREI TAGE PARTY

Lebenslänglich für die ersten

Disney (taz) — Es war einfach — great. Bob Geldof stand nebst Gattin am Spare-Rib-Stand und versuchte, seinen Lederblazer nicht mit Texas- Soße zu bekleckern. Eine Bluegrass- Band wimmerte von „broken hearts“. Und vor jedem Holzhaus an der Main Street standen karierte Mädchen und sagten: „Hi, howyadoin“. Worauf die Hillbillys „Yee- haw“ schrien. Überhaupt war alles wie in echt. Und deswegen war man ja auch da: auf der Eröffnungsparty von „Euro Disneyland“. Drei Tage Fantasy im „glücklichsten Land der Welt“, in „29 einzigartigen Attraktionen“, „erlesensten Geschäften und Restaurants“ — kurz: im Superlativ tout court. Disney-Chef Michael Eisner hatte einige tausend Journalisten zur Vorpremiere eingeladen. Samt BegleiterInnen, damit die Texte fröhlicher würden. Sie trugen Micky-Sweatshirts als Eintrittskarten, und in ihren Zimmern standen Cowboy-Boots aus Massivplastik als Nachttisch-Lampen.

Trotz entsprechender Eingaben der „Front National“-Fraktion im Regionalrat waren die Hinweisschilder mehrheitlich in Englisch abgefaßt. Überhaupt scheuten sich offensichtlich selbst Franzosen, ihre Sprache in dieser „world of dream-come- true“ zu verwenden. Was auch besser war, denn viele der „Gentle Organizers“ konnten sich in Französisch nur auf Sprechblasenniveau unterhalten. Aber schließlich war man ja auch gekommen, um sich den Flug nach USA zu sparen.

Vor dem „New York“-Hotel tanzten fünf ältere Herren in Glitteranzügen. Das waren „die fabulous ,Temptations‘“, die Papa was a rolling stone sangen. Aus dem Teich hinter ihnen schossen Leuchtraketen empor, es dampfte, und auf die Dampfwolken wurden Nixen, Delphine und eine Ozeanbrandung projiziert. Schließlich stieg noch ein aufblasbarer Neptun mit seinem Dreizack aus dem Teich, und dann war „die Nacht der Nächte“ vorbei.

Nur im „Red Garter“-Saloon des „Cheyenne-Hotels“ saßen die Roadies von Tina Turner und kippten sich Gin und „Lone Star“-Bier unter die Baseball-Mützen. Als sie den Kopf zurücklegten und Bierbrunnen spielten, ging das zuweit, und zwei Jünglinge mit Funkknopf im Ohr erinnerten sie an das, was im Programm stand: „Sweet dreams — schlafen Sie sich noch mal richtig aus, denn morgen wird ein Tag voller Überraschungen sein, wie Sie es sich in Ihren wildesten Träumen nicht ausmalen könnten.“

Am Samstag wurde es dann wirklich ernst: Der Amüsierpark wurde geöffnet. Aus allen Löchern drängten fröhliche Marschmusik und die Micky-Hymne „It's a small world“. Ines de la Fressange wurde fast von einer Pferde-Tram überrollt, und Don Johnson trug seine Jeans mit Bügelfalte. Mit einer Achterbahn konnte man in eine Goldmine fahren oder in eine Karibik-Grotte, wo Roboter in Piratenkostümen sangen und sich bekämpften. Erstaunlich echt. Ein anderer Roboter namens Captain Rex steuerte eine Art Rüttelraum mit Großleinwand und sagte, es handele sich um eine Reise durch die Galaxis.

Jedes Detail war von den „Imagineers“ durchdacht worden. Das Holz der Spukvilla künstlich gealtert und geborsten, die Bergbaumaschinen im Big Thunder Mountain mit echtem Rost überzogen, und im Betonboden des Frontierland waren Hufspuren zu erkennen. Als eine Gruppe militanter Mäusegegner in der Nähe des Parks einen Strommasten in die Luft sprengte, fiel im Donnerberg plötzlich der Strom aus. Was aber nicht weiter schlimm war, weil als Ersatz die fantastische, klassische Micky-Parade durch Main Street rollte. Eine Blondine in gestreiften Leggings und mit Plastikohren schrie vor Begeisterung, und hinter jedem der Pferde lief ein verkleidetes Cast member mit Schippe und Behälter.

Der Baum, auf dem Robinson sein Haus gebaut hatte, war aus Beton. Er trug 400.000 Gummibaumblätter aus Hartplastik, sah aber natürlich aus wie echt. Auch die elektronischen Maulesel in der Goldmine brüllten und nickten an ihrer Krippe wie leibhaftig, und an der Ecke stand ein manisch lächelnder Cowboy mit Gummiponcho und sagte zu jedem, der vorbeilief: „Howyadoin“. Wie in echt — nein, der war echt. Und gewiß trug er die vorgeschriebene saubere Unterwäsche, hatte sich vertragsgemäß deodoriert und murmelte innerlich sein Disney-Tantra: „Wir sind positiv — wir lächeln — wir sind effizient und immer die Besten.“

Am Abend wurde das inszeniert, was gleichzeitig im Fernsehen zu sehen war. 45.000 Gäste und diverse Pompomgirls, Mäuse, Enten, Hunde quetschten sich durch die 29 Attraktionen. Es gab Lammkoteletts, und die Himbeerbrause floß in Strömen. Alles wurde immer bunter, Scheinwerfer und ein Zeppelin kreisten über dem Dornröschenschloß, dann gab's Feuerwerk, und schließlich sah alles wirklich so aus, wie die Schlußszenen eines Disney-Zeichentrickfilms. Nur in drei Dimensionen. Womit der Sinn des Ganzen erreicht war. Währenddessen wickelten sich auf dem Parkplatz ganze Familien in ihre Schlafsäcke ein, um rechtzeitig ab fünf Uhr morgens an der magischen „19th century Railway Station“ zu stehen, wo die Eintrittskarten fürs Wunderland zu bekommen waren. Alle Welt hatte ein Verkehrschaos erwartet, zumal die Bediensteten der gerade eröffneten Schnellbahn am Sonntag streikten. Doch das Chaos blieb aus, es wurden keine Staus gemeldet. Und die 12.000 Parkplätze waren auch zwei Stunden nach Eröffnung nur zu einem Viertel besetzt. Die allererste Familie hieß Gallier und wurde von Michael Eisner in einem Feuerwehr- Oldtimer herumgefahren. Dann bekamen die Galliers ihre Eintrittskarte. Lebenslänglich. Alexander Smoltczyk