GASTKOMMENTAR
: Neurotisches Gerede

■ Das Asylthema beschäftigte am Wochenende Politiker von Kinkel bis Kronawitter

In seiner jüngsten Studie Die globale Revolution befürchtet der 'Club of Rome‘, daß es in den Industrieländern des Nordens und des Westens zu einem deutlichen Anwachsen des Rassismus kommt. Sogar die Gefahr, daß durch demokratische Wahlen rechte Diktatoren an die Macht gelangen, schließt er nicht aus. Diese Entwicklung wäre die Folge immer größer werdender Flucht- und Wanderungsbewegungen, die durch die wachsende Bevölkerung, durch fehlende Chancengleichheit sowie Tyrannei und Unterdrückung ausgelöst würden. Gebührt dem Asylthema also nicht weiterhin höchste Priorität? Muß es nicht so weiter gehen wie jetzt am Wochenende, wo alle wichtigen PolitikerInnen, die noch nicht im Osterurlaub sind, Grundgesetzänderung, europäische Asylharmonisierung und den unsäglichen Asylkompromiß als Rettung vor den Flüchtlingen traktieren?

Das Asylthema ist aber nicht das Spitzenthema des 'Club of Rome‘. Flüchtlinge werden auch nicht als Gefahr für die Menschheit, die Welt oder irgendeine der großen Nationen aufgeführt. Sie sind höchstens die bedrückenden Anzeichen für die schwer gestörte Weltwirtschaft, für den bedenklichen Zustand der weltweiten Nahrungsmittelversorgung, die Gefahr einer Energieknappheit und die gravierenden Veränderungen des Weltklimas.

Das Asylthema ist auch in der Bundesrepublik nicht das Thema. Es gibt höchstens die durch mangelnde Vorsorge, einen zusammengebrochenen Wohnungsmarkt und das irrationale Vertrauen auf die Wirkung von Abschreckungsmaßnahmen vorhandenen Engpässe bei der Unterbringung von Asylbewerbern. Es gibt den weitgehend selbstverschuldeten Leidensdruck von KommunalpolitikerInnen, Oberbürgermeistern und Oberstadtdirektoren, denen der abgewrackte Wohnraum ausgeht und die jetzt auf das Wohnraumangebot von Miethaien angewiesen sind. Die Spitzenthemen dieser Republik sind die Themen des römischen Klubs! Und dabei insbesondere die Aufgabe, die die Vereinigung Deutschland und der Zusammenbruch der osteuropäischen Volkswirtschaften stellt: nämlich die Summen in einer bislang unvorstellbaren Größenordnung zu verhindern, daß Ostdeutschland und die Weiten Osteuropas in einer Art kapitalistischen Morgenthau-Plans deindustrialisert werden. Hier dürfte den PolitikerInnen der Stoff in den nächsten Jahrzehnten eigentlich nicht mehr ausgehen. Hier werden die Fluchtbewegungen der Zukunft verhindert oder nicht verhindert. Die direkten Ausgaben für Flüchtlinge sind dagegen eher ein Klacks. Herbert Leuninger

Der Autor ist Sprecher von 'Pro Asyl‘