„Lügnerische Zeugen aus dem Stamme Wiesenthals“

Ein rechtsextremistischer Schweizer Verleger unterstützt im Prozeß gegen den ehemaligen SS-Oberscharführer Josef Schwammberger wegen Beihilfe zum Mord in 3.000 Fällen den neuen Wahlverteidiger/ Ein Urteil rückt in greifbare Nähe  ■ Von Edgar Neumann

Stuttgart (taz) — In das Rätselraten um den vor wenigen Wochen überraschend aufgetauchten Wahlverteidiger des wegen NS-Verbrechen in Stuttgart vor Gericht stehenden früheren SS-Oberscharführers Josef Schwammberger ist möglicherweise etwas Licht gekommen. Mit Blick auf den aus dem bayerischen Miesbach kommenden Rechtsanwalt Heinrich Blessinger erklärt der rechtsextreme Schweizer Verleger Max Wahl: „Ich helfe mit, den Verteidiger zu unterstützen.“

Am Telefon spricht er in freundlichem Ton mit dem unverkennbaren Schwyzer Akzent. Max Wahl (69), ist Verleger in Winterthur und Herausgeber des 'Eidgenoss‘. Mit der anwaltlichen Vertretung Schwammbergers durch zwei Pflichtverteidiger sei es nicht zum besten bestellt, ließ Wahl gegenüber dem Südwestfunk (SWF) vor einer Woche verlauten. Daß er selbst möglicherweise hinter dem neuen Wahlverteidiger Schwammbergers steht, mochte er dem SWF jedoch weder bestätigen noch dementieren. Noch einmal eingehend befragt, bekennt er nun, mitzuhelfen, den Verteidiger zu unterstützen. „Es sind ja etliche Leute“, erläutert Wahl, „die sich dafür eingesetzt haben, daß er (Schwammberger, d. Red.) einen neuen Verteidiger bekommt.“

Nach möglicher finanzieller Unterstützung für Blessingers Mandatsübernahme gefragt, lehnt Wahl jede Stellungnahme ab. Darüber solle man auch nichts schreiben, erklärt er und fügt hinzu: „Sie sollten von der Unschuld des Herrn Schwammberger schreiben. Er ist so lange unschuldig, bis ein Beweis gebracht wird. Und Zeugenaussagen genügen nicht.“

In dem seit Jahren regelmäßig erscheinenden 'Eidgenoss‘ bezieht Wahl auch klar Stellung zu dem Prozeß gegen den wegen Mordes und Beihilfe zum Mord an mehr als 3.000 jüdischen Zwangsarbeitern im besetzten Polen angeklagten Schwammberger. In der Septemberausgabe des vergangenen Jahres ist im 'Eidgenoss‘ zu lesen „...Auf dem Boden des Deutschen Reiches wird ein Soldat und Verteidiger des Reiches von deutschen Menschen verfolgt und seelisch wie körperlich gefoltert. Auftraggeber: Alttestamentliche Lüge und Haß, die sich in illegalen Gesetzen eines neudeutschen, fremden Interessen dienenden Bonner Parlaments niedergeschlagen haben.“ Weiter unten heißt es: „Sträflich ist es, daß Richter, welche von der Aufdeckung der Dachau-Lügen, der Theresienstadt-Lügen, der 6-Millionen-Lügen längst Kenntnis haben, sich im Jahre 1991 noch dazu hergeben, über einen 79jährigen, einstigen Wehrmann zu Gericht zu sitzen... Die Anklage stützt sich auf lügnerische Zeugen, die alle dem Stamme des Menschenjägers Wiesenthal angehören.“

Wahl ist im rechten politischen Spektrum kein Unbekannter. 1986 erklärte er im 'Eidgenoss‘, selbst Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher habe bestätigt, daß es in Auschwitz keine Gaskammern gegeben habe. Das führte zu einigem politischem Aufruhr und brachte Wahl in der Bundesrepublik ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung ein, das nach Auskunft der Konstanzer Staatsanwaltschaft jedoch eingestellt wurde, da der 'Eidgenoss‘ im Ausland erscheint und Wahl nicht von der Strafbarkeit seiner Aussagen in der Bundesrepublik habe ausgehen können. Im Oktober vergangenen Jahres dagegen verurteilte das Amtsgericht München Wahl zu rund 25.000 Mark Geldstrafe wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhaß und Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Hintergrund waren entsprechende Veröffentlichungen zum Holocaust im 'Eidgenoss‘. Die Einschätzung bei den Behörden ist eindeutig. Beim baden-württembergischen Verfassungsschutz werden der 'Eidgenoss‘ und Wahl als „zweifelsfrei rechtsextremistisch“ eingestuft. Seine Schrift werde intensiv in Neonazi- Kreisen vertrieben.

Der von Wahl und weiteren unbekannten Mitstreitern angeblich unterstützte Anwalt Blessinger erklärt dagegen, er kenne Wahl nicht und werde von diesem auch nicht unterstützt. Mit dem Antrag, gutachterlich feststellen zu lassen, es sei nicht möglich, „Leichen so zu verbrennen, daß keine Rückstände bzw. nur Asche als Rückstände verbleiben“, hat er jedoch schon einen nachhaltigen Eindruck vor Gericht hinterlassen. Die Kammer lehnte seinen Antrag zwar ab, offen ist aber, ob nicht mit einer Serie von weiteren Beweisanträgen der Prozeß gegen Schwammberger auf nicht absehbare Zeit verzögert wird.

Ansonsten, so machte der Vorsitzende Richter, Herbert Luippold, vor kurzem deutlich, werde nach der Verlesung einiger Dokumente und höchstens zweier Zeugenanhörungen der Staatsanwalt im Laufe der kommenden zwei Wochen mit seinem Plädoyer beginnen können. Mit einem Urteil in dem seit Juni vergangenen Jahres laufenden Prozeß wäre dann nach Einschätzung des Schwurgerichts bis Anfang Mai zu rechnen.