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Erfolgreicher Protest vor der Treuhand

■ Nach den gestrigen Protesten der Elpro-Belegschaft gibt die Treuhand nach und will heute nicht endgültig über die Privatisierung entscheiden — Treuhand liegen drei Unternehmenskonzepte vor

Mitte. Rote IG-Metall-Fahnen vor der Treuhandanstalt. Rund 800 Kolleginnen und Kollegen der Ostberliner Elpro AG protestierten gestern vormittag lautstark gegen den geplanten Verkauf von Elpro: »Birgit, wir kommen!« und »Elpro darf nicht sterben«.

Eine achtköpfige Petitionsdelegation trug die Forderungen der Belegschaft vor: kein Verkauf von Elpro an die Investorengruppe der drei ehemaligen McKinsey-Mitarbeiter Emans, Eckhardt und Schossleitner (abgekürzt »EES«), Vertagung der Privatisierungsentscheidung, Neuverhandeln und Garantie für die Weiterexistenz der Elpro als Industriebetrieb. Erfolg der Aktion: Die Treuhand teilte mit, sie werde nun doch nicht wie vorgesehen heute über die Privatisierung entscheiden, sondern erst nach Ostern. Die Treuhand gab zugleich bekannt, daß ihr drei Unternehmenskonzepte von Investoren vorlägen.

Vor der Protestdemonstration war die Belegschaft auf einer außerordentlichen Betriebsversammlung vom Berliner IG-Metall-Vorsitzenden Manfred Froede eingehend über die Nachteile des Privatisierungsplanes der EES-Gruppe informiert worden. Dieser Plan (die taz berichtete) sieht im einzelnen vor: Reduzierung der Belegschaft von zur Zeit 2.353 auf 1.400 Beschäftigte, Umzug der Elpro vom jetzigen Standort Rhinstraße auf das bereits der EES- Gruppe gehörende Gelände der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) in Hohenschönhausen.

Nach Angaben des Betriebsrates stünde der Elpro auf dem neuen Gelände nicht genügend Betriebsfläche zur Verfügung, zudem seien Investitionen in Höhe von 200 Millionen DM nötig. Die EES-Privatisierung komme einer »faktischen Liquidierung« gleich. Es gibt bisher auch keine Garantien für das Weiterführen der Produktion.

Mit Elpro will die Treuhandanstalt einen weiteren Ostberliner Traditionsbetrieb zerstückeln. 1990 zählte man bei Elpro noch 7.500 Beschäftigte. Massenentlassungen warfen 1991 über 5.000 KollegInnen auf die Straße. Einer erneuten Massenentlassung wollen die Belegschaft, der Betriebsrat und die Berliner IG Metall nicht tatenlos zusehen. Insbesondere wird sehr aufmerksam registriert, daß der für den Elektro- Bereich zuständige Chef der Treuhand, W. Klinz, und der neue Aufsichtsratsvorsitzende bei Elpro, R. Liertz, ehemalige Manager der Beraterfirma McKinsey sind. Eigenartigerweise haben auch die drei favorisierten Anbieter Emans, Eckhardt und Schossleitner früher bei McKinsey gearbeitet. Die Herren kennen sich seit Jahren. Der Betriebsrat fordert die direkte Beteiligung an den Verkaufsverhandlungen und die Offenlegung aller Kaufangebote (es gab ursprünglich einmal 26).

Die Elpro AG wird von vielen Seiten unterstützt. Der Bezirksbürgermeister von Marzahn, Röhl, die Wirtschaftsstadträtin Marzahns, Ines Sager, die SPD-Bundestagsabgeordnete für Marzahn/Hellersdorf, Angelika Barbe, äußerten ebenfalls massive Bedenken und Kritik an dem bisherigen Privatisierungskonzept der Treuhandanstalt.

Unter dem Druck der Protestaktion vor ihren Toren mußte der Treuhandvorstand ein wichtiges Zugeständnis machen. Wie der IG-Metall-Bezirksvorsitzende Horst Wagner der gespannten Belegschaft mitteilen konnte, hat sich die Treuhand bereit erklärt, die vorgetragenen Forderungen der Elpro-Vertreter zu überdenken, in ihr Konzept einzubauen, am heutigen Dienstag zunächst keine endgültige Entscheidung zu treffen und ein erneuertes Privatisierungskonzept zuvor mit Betriebsrat und IG Metall zu beraten.

Zufrieden mit ihrem Erfolg stiegen die Elpro-KollegInnen wieder in ihre Busse, wohlwissend, daß der Kampf um das Überleben von Elpro und die Sicherung aller noch vorhandenen Arbeitsplätze weitergeht. Martin Clemens

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