"Und wer könnte von sich behaupten..."

„Und wer könnte von sich behaupten, er stünde ganz außerhalb dieser herrschaftlich-männlich gewachsenen Gesellschaft, auch wenn er auf andere Formen mit aller Energie drängen mag? Gerade weil ohne unser Zutun infolge der Eigenart dieser Gesellschaft und ihrer langen Tradition, in die wir „geworfen“ sind, in jedem von uns Männern eine wenn auch noch so verdämmernde Möglichkeit der Vergewaltigung enthalten ist, gerade darum müssen wir, die wir sie aktuell und mit Recht weit von uns weisen, alles menschenrechtlich Erdenkliche tun, um gesellschaftliche Formen mitzuschaffen, die die Bedingungen der Möglichkeit, ja der Wahrscheinlichkeit, nein, der Alltäglichkeit von Vergewaltigung überwinden helfen.

Den Mut, den die Frauen brauchen, diesen Mut benötigen die Männer noch bei weitem mehr. Gerade weil Selbst- und Systemerkenntnis zugleich so schwer sind. Den Mut, sich nicht des konventionellen Verstandes, sondern ihres möglichen menschenwürdigen Verstandes zu bedienen. Aufklärung und bei weitem mehr stehen auf der Tagesordnung.“ Wolf-Dieter Narr: „Vergewaltigung als Staats- und Männersache zu ihrer politischen Produktion und den daraus folgenden Konsequenzen“ in „Sexuelle Gewalt — Erfahrungen — Analysen — Forderungen“, hrsg. vom Arbeitskreis „Sexuelle Gewalt“ beim Komitee für Grundrechte und Demokratie, Juni 1985