Abschied vom Revolutionsexport

■ Bei den iranischen Parlamentswahlen siegte die Fraktion der Wirtschaftsliberalen um Rafsandschani

Teheran/Berlin (taz/afp/ap) — Als großen Erfolg für Präsident Haschemi Rafsandschani bewerten In- und Ausländische Beobachter einhellig die ersten iranischen Parlamentswahlen nach dem Tod von Revolutionsführer Ayatollah Khomeini. Nach weiteren Auszählungen bestätigte sich der gestrige Trend, wonach die als „Pragmatiker“ geltenden Anhänger des Präsidenten den „Hardlinern“ den Rang abgelaufen haben. Dennoch werden noch einige Stichwahlen abgehalten werden müssen.

Bisher stellten die „Hardliner“ die Mehrheit im iranischen Parlament und blockierten etliche von der Regierung vorgelegte Gesetze. Mindestens zwei Minister mußte Rafsandschani auf Druck der Parlamentsmehrheit in der letzten Legislaturperiode schassen. Nun erhofft er sich in dem neuen Parlament eine bequeme Zweidrittelmehrheit seiner Anhänger. Bei der Durchsetzung dieses Wahlzieles half Rafsandschani ein ihm wohlgesonnener „Wächterrat“. Das zwölfköpfige Gremium lehnte „ungeeignete“ Kandidaten vor der Wahl ab. Unter den Disqualifizierten waren etliche „Hardliner“, was dem „Wächterrat“ den Vorwurf einbrachte, „Ostblockmethoden“ anzuwenden.

Sadiq Khalkhali, bisheriger Parlamentarier und Verfechter einer straffen Antiwestlinie, rief zum Boykott der Wahlen auf. „Die ganze Wahlfarce muß enthüllt werden“, forderte er in einem Flugblatt. Präsident Rafsandschani wandte sich dagegen auch an Bürger, die seine islamische Republik nicht unterstützten. Aus Teheran wurde berichtet, der Staatspräsident habe selbst an Systemgegner appelliert, doch zur Wahl zu gehen und in Anmerkungen auf dem Stimmzettel konstruktive Kritik an der Regierung zu üben. Ob tatsächlich iranische Bürger dem Aufruf folgten und wie die an den Wahlurnen massiv präsenten Geheimdienstler auf Anmerkungen dieser Art reagierten, ist nicht bekannt.

Auch von den tatsächlich kandidierenden „Hardlinern“ genossen nur wenige die Gunst der Wähler. Selbst in ihren Hochburgen wurden zumeist „Pragmatiker“ gewählt. Die zwei prominentesten „Hardliner“, der bisherige Parlamentssprecher Mehdi Karrabi und Ex-Innenminister und Hisballah-Gründer Ali Akbar Mohtaschami erlitten empfindliche Niederlagen. Beide haben auch bei Stichwahlen keine Chance mehr auf einen Parlamentssitz. Die Abwahl Mohtaschamis gilt als endgültiger Abschied Teherans vom Revolutionsexport in islamische Länder.

Als erste Frau aus einer iranischen Provinzstadt errang in Maschhad die fünfzigjährige Ärztin Ghodssieh Alawi ein Mandat. Bisher waren im Parlament nur vier Frauen aus der Hauptstadt Teheran vertreten. Bei den diesjährigen Wahlen kandidierten 56 Frauen. In Teheran gelang es einem als gemäßigt geltenden Geistlichen, die Mehrheit der Stimmen auf sich zu vereinigen. Er war durch ein Fernsehprogramm populär geworden, in dem er sich in für iranische Verhältnisse moderate Weise zum Thema Familienplanung äußerte.

Unter westlichen Diplomaten in Teheran herrschte gestern vor allem Freude über die von Rafsandschani erwartete wirtschaftliche Öffnung des Landes. Unternehmer in aller Welt saßen in den letzten Monaten in den Startlöchern für Geschäfte in der Islamischen Republik. Iranische Oppositionelle vergleichen Rafsandschanis Politik mit der chinesischen Linie. Während ausländische Investoren ins Land gelockt werden, bleiben die Gefängnisse geschlossen. Die Zahl der Hinrichtungen soll von 1989 auf 1991 sogar um das Vierfache gestiegen sein.

Teheraner Bürger, über deren Wahlbeteiligung keine neutralen Zahlen vorliegen, machen sich nun über die Reinigung ihrer vom Wahlkampf gezeichneten Stadt Gedanken. Da in dem nur sieben Tage dauernden Wahlkampf Megaphone und Ansprachen verboten waren, verlegten sich die Kandidaten auf Plakatwerbung. Straßen, Gebäude und Pkws wurden mit der Wahlwerbung regelrecht zugekleistert. Die Reinigungskosten sollen mindestens 2 Milliarden Rial betragen. taud