Stolpe-Ausschuß stolpert weiter

Keine einheitliche Bewertung der Stasi-Mitarbeit von Ministerpräsident Manfred Stolpe/ Bündnis 90 weiter auf Distanz zum SPD-Koalitionspartner/ SPD und FDP sehen in Stolpe nicht den IM Sekretär  ■ Von Bettina Markmeyer

Potsdam (taz) — Die Differenzen im Stolpe-Untersuchungsauschuß in Potsdam zu den Stasi-Verwicklungen des Ministerpräsidenten bestehen weiter fort. Im Landtag tagte gestern erneut der Stolpe-Untersuchungsausschuß. Am deutlichsten äußerte sich anschließend Günter Nooke, Fraktionsvorsitzender des Bündnis 90. Nachdem er die Anlagen — fünf Aktenordner — zum Bericht der Gauck-Behörde über die Stasi- Kontakte des IMB Sekretär studiert habe, bekräftige er seine Äußerung vom vergangenen Freitag, daß sich Indizien in dem Gauck-Bericht befänden, die Sekretär „belasten, teilweise schwer belasten“. Entgegen den Äußerungen von Ausschußmitgliedern der FDP und SPD erinnerte Nooke ausdrücklich daran, „daß in der Öffentlichkeit bereits Konsens war, daß der ,IMB Sekretär‘ mit Stolpe identisch ist“. Das habe Stasi- Oberst Jochen Wiegand bestätigt und sei gültig, solange Wiegand seine Äußerung vor dem Ausschuß nicht widerriefe. Nach den Unterlagen, so Nooke weiter, sei „die Konzeption des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in der Kirchenpolitik aufgegangen“. Natürlich beruhe die Gauck-Recherche auf Stasi-Unterlagen und gebe daher auch die Perspektive der Stasi wieder. Gleichwohl handele es sich um „Zeitdokumente“, die „unabhängig von der Motivation des ,IMB Sekretär‘“ Aussagen über das Verhältnis von evangelischer Kirche und Stasi liefern würden. Die Fakten müßten ernst genommen werden. Das Bündnis 90 wolle sich aber weder an einer Vor-Entlastung noch an einer Demontage Stolpes beteiligen. Hatte Nooke zunächst den Eindruck erweckt, der Fall Stolpe könne die Regierungskoalition gefährden, erklärte er später, die Regierungsarbeit laufe ohne Konflikte: „Schließlich haben wir heute die Verfassung angenommen“.

FDP- und SPD-Ausschußmitglieder glauben dagegen, so die FDP- Abgeordnete Rosemarie Fuchs, daß „der ,IM Sekretär‘ mit Stolpe nicht identisch ist“. Ferner, so Reinhart Zarneckow für die SPD, spiegelten die Akten „die Beziehungen zwischen Staat und Kirche nicht richtig wieder“. Fuchs hatte im Ausschuß eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Stasi-Beauftragten Joachim Gauck beantragt, die aber abgelehnt wurde. Innerhalb der CDU gehen die Bewertungen des Gauck-Berichts auseinander. Der Landesvorstand der Partei fordert, Stolpe solle sein Amt vorläufig niederlegen.

Auf der nächsten Sitzung am 28.April sollen Joachim Gauck, der Theologe Richard Schröder und der Berliner Jugendpfarrer Passauer gehört werden. Zwei Tage später sollen die Altbischöfe Forck und Krusche sowie Bischof Hempel nach Potsdam kommen. Anfang Mai wird der Ausschuß fünf Stasi-Mitarbeiter hören, darunter Jochen Wiegand. Nach Informationen der taz hatte die SPD im Ausschuß Gaucks Anhörung zu verhindern versucht. Erst nach den Kirchenmitarbeitern und Stasi-Leuten soll Stolpe selbst vor den Ausschuß geladen werden.

Siehe auch Seiten 5 und 12