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Ein Geschenk ist kein Geschenk, sagt der Bund

■ Der Humboldt-Universität wird die geschenkte Friedrich-Engels-Kaserne weggenommen — Platzprobleme auch bei der Verwaltungs-Hochschule

Berlin. »Am günstigsten wäre es, wenn die Humboldt-Universität an die polnische Grenze verlegt werden würde!« Mit beißender Ironie kommentiert Klaus Benischek, Baudirektor der Humboldt-Universität, den Verdrängungswettbewerb, dem besagte Universität 183 Jahre nach ihrer Beantragung ausgesetzt wird. Was dem alten Wilhelm von Humboldt noch ein Grund war, in Berlin eine neue Universität zu gründen, droht ebendiese nun aus der Stadt hinauszudrängen: die Regierung.

37 Standorte weist der Übersichtsplan (Stand Februar 1991) für die Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) im Bezirk Mitte aus. Mit denen ist kein Staat mehr zu machen. 40 Jahre lang, so klagt Baudirektor Benischek, seien die Gebäude nicht gut genug saniert worden. »Uns drückt der Schuh jetzt!« sagt Benischek und meint damit Verfügungsräume für Zwischen- und Auslagerungen. Dann könnte die Universität die in teilweise untragbaren Zuständen befindlichen Räumlichkeiten der Naturwissenschaften rekonstruieren und wieder neu beziehen.

Solche Räumlichkeiten existieren in Berlins Mitte. Gemeint ist die Friedrich-Engels-Kaserne, ein geschichtsträchtiges Gebäude mit rund 25.000 Quadratmetern Nutzfläche. Das entspricht etwa dem Raumbedarf der Humboldt-Universität, die gleich nebenan gelegen ist. Klaus Benischek hält das für den geeigneten Ort, »aber da sitzt der Bund drauf.«

»Eindeutig Bundeseigentum« bestätigt der oberste Verwalter des Bundesvermögens in Berlin, Klaus Richter. Die ehemals »reichseigene Kaserne« sei nach der Wiedervereinigung dem Bund zugefallen. Dabei war die Kaserne erst im Juli 1990 vom der DDR-Regierung an die Humboldt-Universität übergeben worden. Doch weder hehre Worte noch die Anwesenheit des damaligen DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière nutzten etwas: die Schenkung erwies sich als nichtig. Die Humboldt-Universität mußte — abgesehen von einem teuer gemieteten Teil — die Kaserne preisgeben. Vermögensverwalter Richter verrät, daß das Deutsche Historische Museum in die Kaserne einziehen will, die ansonsten »idealer Standort für eine oberste Bundesbehörde wäre.«

Ein kleines Hoffnungsschimmerchen besteht immerhin noch, wenn man Thomas Neie vom Koordinierungsrat der Studentenräte in den neuen Bundesländern glauben darf. Ihm liegt ein Auszug des Bundeswehrarchivs in Koblenz vor, auf dem vermerkt ist, daß die Friedrich-Engels-Kaserne nicht etwa »reichseigen« war, sondern der preußischen Sicherheitspolizei gehörte. Und dann wäre sie Eigentum des Landes Berlin, meint der Jurastudent der Humboldt-Universität. Doch der Senat hat andere Pläne mit der HUB.

Statt die maroden Gebäude im Bezirk Mitte zu sanieren, will Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) die mathematischen und naturwissenschaftlichen Fachbereiche nach Adlershof verlegen. Sie sollen dort Teil eines »Technologieparks« werden. Mit der räumlichen Zerschneidung würde der Wissenschaftssenat jedoch auch eines der tragenden Prinzipien der Universität Humboldtscher Prägung aufheben. Wilhelm von Humboldt schrieb 1809, »daß jede Trennung von Fakultäten der echt wissenschaftlichen Bildung verderblich ist« und die Universität daher zu einem »organischen Ganzen« zu verbinden sei.

Berlins Zentrum wird indes nicht nur zu eng, sondern auch zu teuer für Hochschulen. Der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (FHSVR) etwa hat ihr Vermieter zum 31. Januar 94 gekündigt. Für eine Verlängerung des Mietvertrages am Ku'damm-Karree sieht der Rektor der Fachhochschule, Detlev Bischoff, »keine Möglichkeit«. Wer sollte die Mieten auch zahlen können in der »äußerst lebensnahen« Unterbringung in Berlins Belletage.

Für die momentan 2.200 Studierenden des gehobenen Verwaltungsdienstes gibt es zwei Ausweichmöglichkeiten. Die ehemalige SED-Parteihochschule im brandenburgischen Kleinmachnow käme jedoch erst in Frage, wenn Berlin und sein Nachbarland ihren Beamtennachwuchs in einer gemeinsamen Verwaltungshochschule ausbilden. Die muß erst gegründet werden. Und am zweiten Standort, dem ehemaligen Stasi- Komplex und jetzigen Verwaltungszentrum Friedrichsfelde, müßten die Hörsäle neu gebaut werden. Die veranschlagten Kosten von 113 Millionen Mark lassen den haushaltspolitischen Sprecher der Fraktion Bündnis 90/ Grüne, Arnold Krause, nur mit dem Kopf schütteln. »Dem Senat fehlt der Überblick über seine Räumlichkeiten«, und so müsse er mit hektischen Neubauplanungen oder teueren Zwangsanmietungen reagieren. Der Innensenat etwa habe per »Umfrage« in den Bezirken und in der Hauptverwaltung seinen Bestand an Liegenschaften ausfindig machen müssen. »Das ist ein Chaos«, meint Arnold Krause, »die haben das verschlafen, eine Gesamtkonzeption existiert nicht.« Christian Füller

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