Pioniergeist bei VWs vierter Marke

Das Joint-venture Skoda steht trotz Sonderschichten und steigender Absatzzahlen erst am Anfang  ■ Aus Mlada Boleslav Sabine Herre

Zdenek Kadlec, Vorsitzender der Gewerkschaftsorganisation des tschechoslowakisch-deutschen Gemeinschaftsunternehmens Skoda- Volkswagen, nimmt kein Blatt vor den Mund. Sein Urteil über das Joint- venture, das als „größte ausländische Investition in der CSFR“ mit vielen Vorschußlorbeeren bedacht wurde, ist eindeutig: „Bisher hat sich kaum etwas verbessert, eher im Gegenteil.“ Und auf die Frage nach den Gründen antwortet Kadllec: „Seit genau einem Jahr sind die Wolfsburger jetzt hier in Mlada Boleslav, doch von den versprochenen neun Milliarden Mark haben wir bisher nichts gesehen.“

Eine Ansicht, der sich der stellvertretende Vorstandvorsitzende von Skoda, Volkhard Köhler, natürlich nicht anschließen kann. Der Deutsche zeigt sich vom Erfolg des Gemeinschaftsunternehmens überzeugt: „Die Zusammenarbeit zweier Betriebe aus völlig unterschiedlichen Wirtschaftswelten läßt sich überraschend gut an.“ Insgesamt seien im vergangenen Jahr 60 Millionen Mark vor allem für Verbesserungen der Infrastruktur und den Aufbau eines Vertriebsnetzes ausgegeben worden, so Köhler, geplant würde nun der Bau einer neuen Lackiererei und eines neuen Preßwerkes. Technisch können die heutigen Produkte des Werkes nicht mehr mit ihren Vorläufern verglichen werden, über 400 verschiedene Verbesserungen wurden an den Skodas bereits vorgenommen. Und tatsächlich ist das Aushängeschild von Skoda, der „Forman“, zumindest äußerlich kaum mehr von den anderen Volkswagen zu unterscheiden. Milan Smutny, einer der Pressesprecher von Skoda-VW: „Jetzt wackelt da nichts mehr.“

Die ganz großen Investitionen haben wegen der notwendigen Planungszeiten bisher jedoch nicht stattgefunden. Es verzögert sich der Bau eines neuen Motorenwerkes. Und während das Hauptziel des Gemeinschaftsunternehmens eine Steigerung der jährlichen PKW-Produktion von 180.000 auf 450.000 bis zum Jahr 1996 ist, liefen 1991 lediglich 172.000 Skodas vom Band — damit wurde nicht einmal das Ergebnis des Vorjahres erreicht. Der Grund: Im März des vergangenen Jahres brach der Absatz ein, da die Preise für die Skoda-Produkte durch einen Steursatz von 60 Prozent deutlich in die Höhe getrieben wurden. Für viele Tschechen war es attraktiver, sich einen Gebrauchtwagen in der Bundesrepublik oder in Österreich zu suchen. Waren 1990 noch 123.000 Skodas in der CSFR verkauft worden, so sank 1991 die Zahl um zwei Drittel auf 42.400. In Mlada Boleslav mußte für zwei Monate die Vier-Tage-Woche eingeführt werden, die Zahl der Arbeitskräfte wurde um 2.200 auf rund 17.000 reduziert.

Doch diese Absatzprobleme gehören inzwischen der Vergangenheit an. Da die tschechoslowakische Regierung zum Schutz einheimischer Produzenten die Einfuhrzölle auf importierte Autos stark erhöhte, wächst die Nachfrage nach den „Skodavkas“ seit Beginn dieses Jahres wieder. Trotz einer Steigerung der Produktionszahlen klagen Autohändler und Käufer sogar über ein unzureichendes Angebot. Und so muß die Unternehmensleitung bereits mit dem nächsten Problem kämpfen: Nicht nur die Presse, sondern auch Mitarbeiter des Finanzministeriums warfen dem Konzern vor, durch eine Kürzung der Lieferungen für den Inlandsmarkt den Preis ihrer Produkte in die Höhe treiben zu wollen.

Doch obwohl die Preise für die ohnehin teuren Skodavkas zum 1. März um ganze 9,5 Prozent angehoben wurden, kann Volkhard Köhler über den Vorwurf, daß das Gemeinschaftsunternehmen seine „monopole Stellung“ ausspiele, nur schmunzeln.Zum einen, erklärt der Manager, entspreche die Preiserhöhung „nicht einmal der bei Gründung des Joint-ventures bei 25 Prozent liegenden Inflationsrate“, zum anderen seien im letzten Jahr über 100.000 PKWs anderer Hersteller in die CSFR eingeführt worden. Für ihn verbergen sich hinter den früheren Angriffen auf das Gemeinschaftsunternehmen „politische Absichten“ der Reformgegner. Die Frage, ob die Absatzschwankungen nicht vorhersehbar waren, beantwortet er mit einem klaren Nein.

Hier ist die Gewerkschaft jedoch ganz anderer Ansicht. Bereits im Spätsommer sei die gesamte Produktion sofort verkauft worden; auf dem Betriebsgelände waren kaum mehr Autos zu sehen. Wegen der „Unflexibilität der deutschen Betriebsleitung“ lehnt Kadlec auch die vom Vorstand geforderten Sonderschichten kategorisch ab: „Wenn wir bereits damals die Kurzarbeit eingestellt hätten, müßten wir jetzt nicht über die Einführung von Samstagsarbeit verhandeln.“ Gegen die Einführung der Samstagsschicht wollen die Gewerkschaftler energisch kämpfen. Anhand von Tabellen und Schaubildern weisen sie nach, daß allein im Februar 1992 rund die Hälfte der 15.000 Arbeiter die gesetzliche Norm von acht wöchentlichen Überstunden überschritten hätten — Überstunden, die in erster Linie von Frauen im Alter von über 40 Jahren geleistet werden. „Diese müden, abgearbeiteten Frauen, die sich am Wochenende normalerweise um ihren Haushalt kümmern müssen“, verteidigt der Betriebsgewerkschaftler seine Haltung, „sollen nun auch noch am Samstag am Band stehen.“ Überhaupt sei die Produktivität bei Skoda bereits fast doppelt so hoch wie in anderen Betrieben der Tschechoslowakei. Und auch im Vergleich mit Volkswagen schneidet Skoda nicht schlecht ab: Während dort von einem Arbeiter pro Jahr 11,6 Autos hergestellt werden, liege das tschechische Automobilunternehmen bei 9,67. „Nur haben wir bisher davon gar nichts“, so ein Gewerkschaftsführer enttäuscht, „zwar verdienen wir etwas mehr als in anderen Inlandsunternehmen, doch während ein deutscher Arbeiter einen Stundenlohn von über 20 Mark einstreicht, liegt unser Stundenlohn bei ganzen 1,71 Mark.“ Gleichzeitig wissen die Gewerkschaftsvertreter aber auch, daß sie das westliche Lohnniveau nicht von heute auf morgen erreichen können. „Wir sind gemäßigt, wollen den sozialen Frieden erhalten, wollen Verhandlungen und keine Arbeitsniederlegungen“, wird die Forderung einer nur zwölfprozentigen Lohnerhöhung begründet. Doch die Betriebsgewerkschaftler erwarten auch, daß die Betriebsleitung ihren Forderungen entgegenkommt. „An Weihnachten wurde uns jedoch im Unterschied zu den anderen Betrieben nicht einmal Weihnachtsgeld ausgezahlt“, berichtet einer von ihnen, „das Unternehmen hat das damit begründet, daß Skoda keinen Gewinn erwirtschaftet hat, doch das kann ich mir kaum vorstellen.“

Auf die Frage nach „Gewinn“ oder „Verlust“ äußert sich der stellvertretende Vorstandsvorsitzende erwartungsgemäß vorsichtiger. Schwierigkeiten seien von Anfang an eingeplant gewesen. Und so hält Köhler auch die Entscheidung der Wolfsburger Konzernzentrale für das Joint-ventures weiterhin für richtig. Nachdrücklich betont er, daß in Mlada Boleslav keine Billigprodukte für den Osten hergestellt würden. Wie gefragt die Skodas auch im Westen seien, könne man daran sehen, daß 15.000 Autos schwarz in die Bundesrepublik eingeführt wurden. Und nicht ohne Stolz stellt Köhler fest, daß mit den Mitarbeitern des Skoda-Betriebes hervorragende Fachleute gewonnen wurden. Über die zukünftigen Probleme des Werkes schweigt sich der Manager dagegen lieber aus: Schließlich „stehen wir erst am Anfang“.