Front gegen Kaffeepreise

Der Preisverfall bei Kaffes soll gestoppt werden/ Dumpingpreise ruinieren Kleinbauern/ Neues Kaffeeabkommen wird von allen Seiten angestrebt  ■ Von Ralf Schröder

Vor knapp zehn Jahren kostete eine Schweizer Lokomotive soviel wie 12.900 Sack Rohkaffee. Heute müssen lateinamerikanische oder afrikanische Bahnbetreiber dafür den Gegenwert von 45.800 Sack (60 Kilo) überweisen.

Das Beispiel dokumentiert nicht nur die Entwicklung des Weltmarkts, die den ärmeren Staaten für Importe immer mehr Geld aus der Tasche zieht, während die Erlöse für ihre Produkte weiter sinken. Es illustriert auch, wie tief die Kaffeepreise in den Keller gesackt sind.

Kaffee ist mit einem Handelsvolumen von zehn bis 15 Milliarden US- Dollar pro Jahr nach Erdöl der meistgefragte Rohstoff. Von den jährlich erzeugten 100 Millionen Sack gehen 80 Millionen in den Export. Hauptabnehmerländer sind die USA und die Bundesrepublik; allein der Magen eines Durchschnittsdeutschen muß jedes Jahr 200Liter des Muntermachers verkraften. Beim Weltmonopoly um den Kaffee ist die Zahl der Mitspieler freilich begrenzt: Nahrungsmittel-Giganten wie Nestlé und Philip Morris/General Foods, die über hauseigene Großplantagen verfügen, dominieren den Handel mit Röstkaffee; weltgrößter Anbieter von Rohware ist die Hamburger Rothfos-Gruppe. Der aktuelle Weltmarktpreis, wesentlich beeinflußt von spekulativen Warentermingeschäften an den Kaffeebörsen Londons und New Yorks, schwankt um 75 US-Dollar pro Sack. Noch 1980 wären für die gleiche Menge 190 Dollar fällig gewesen.

Dieser Preissturz ordnet sich zwar in die wachsende Asymmetrie der „Terms of Trade“ ein, ist aber gleichzeitig das Resultat einer schockartigen Deregulierung: Mitte 1989 platzte das internationale Kaffee-Abkommen (ICA), in dem 50 Erzeuger- und 24 Verbraucherstaaten seit 1962 zusammengeschlossen sind. Der vor allem zwischen den größten Produzenten Brasilien und Kolumbien eskalierende Streit über die Exportmengen brachte die bis dahin gültige Ausfuhr-Quotenregelung zu Fall und löste einen Konkurrenzkampf um die Abnehmer aus. Die ohnehin bestehende Überproduktion nahm dadurch weiter zu und sorgt dafür, daß sich die Preise für Rohkaffee innerhalb eines halben Jahres halbierten. Das Ergebnis war ganz im Sinne der Abnehmer, hatte doch kurz zuvor der Kaffeeverein Bremen „ein entfesseltes Spiel von Angebot und Nachfrage als langfristig erstrebenswertes Ziel“ reklamiert.

Das Pokerspiel um Preis und Exportquoten machte nicht nur die kaffeeabhängigen Volkswirtschaften insgesamt zu Verlierern, sondern auch die kleinbäuerliche Familienwirtschaft in den Anbauländern, die mit einem Anteil von noch zwölf Prozent an der Weltkaffeeproduktion 100 Millionen Menschen ernährt. Mangels Transportkapazitäten ohnehin auf das Preisdiktat skrupelloser Zwischenhändler („coyotes“) angewiesen, drückte der Preissturz die Verkaufserlöse der Kleinbauern teils bis unter die Gestehungskosten. Die Konsequenz: die Landflucht unter den Kaffeebauern nahm weiter zu; die Pflege der Kaffeepflanzungen wurde vernachlässigt, ganze Betriebe stiegen aus der Kaffeeproduktion aus — und als Ausgleich teilweise in die Coca-Produktion ein.

Angesichts dieser erschreckenden Entwicklung formieren sich neuerdings ungewöhnliche Allianzen. Solidaritätsinitiativen, die seit langem auf eine Neuauflage des Kaffeeabkommens pochen, erhalten plötzlich Verstärkung aus den Kaffeekonzernen. Eine Zerrüttung der Kaffeeproduktion sowie drohende Qualitätseinbußen vor Augen, fordert der Deutsche Kaffee-Verband „Notmaßnahmen“ zur Preisstützung. Auch Jacobs-Sprecher Sauerbier trommelt für höhere Kaffeepreise und fordert von der Bonner Regierung gar Aktivitäten zur Wiederbelebung des Abkommens. Gleichzeitig gewinnen europaweit jene in der Solidaritätsbewegung umstrittenen Projekte wieder an Fahrt, die „fair“ gehandelten Kooperativen-Kaffee aus dem Ghetto der Dritte-Welt-Läden befreien und über Supermärkte vertreiben wollen. Als Vorbild dient die niederländische Stiftung Max Havelaar, deren Gütesiegel kommerzielle Röster dann erhalten, wenn sie die Rohware zu einem derzeit weit über Weltmarktniveau liegenden Garantiepreis bei einer jener Genossenschaften einkaufen, die in das Stiftungsregister eingetragen sind. Auf die Liste gelangen nur Kooperativen, die basisdemokratische, soziale und ökologische Mindeststandards einhalten.

Hierzulande hat die im Juni 1991 gegründete Arbeitsgemeinschaft Kleinbauernkaffee bisher noch Probleme, Partner aus dem kommerziellen Sektor zu finden. Daß diese keinesfalls nur aus Liebe zu den Kleinbauern mitmachen werden, stellte jüngst Jacobs-PR-Chef Sauerbier klar: eine Beteiligung gebe es nur, wenn „der Trend eine profitable Größe“ erreiche.