: Israel will 10 Milliarden Mark aus Bonn
Bundesregierung soll Kredite in Höhe von zwei Milliarden Mark zugesichert haben/ Israel besteht auf der Erfüllung der Reparationszahlungen aus der ehemaligen DDR/ Gush Emunim baut neue Siedlung ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Die Bonner Regierung ist angeblich bereit, Israel Kreditgarantien in Höhe von zwei Milliarden DM zur Verfügung zu stellen, sickerte aus Kreisen des israelischen Außenministeriums durch. In Jerusalem beharrt man jedoch auf Krediten in Höhe von zehn Milliarden DM. In Bonn wird argumentiert, daß Israel seit dem letzten Golfkrieg von der Bundesregierung bereits 1,350 Milliarden DM erhalten habe. Davon sei etwa die Hälfte zum Erwerb zweier U- Boote aus deutscher Produktion vorgesehen. Bundeskanzler Kohl wird in Israel vorgeworfen, die Kreditvergabe der US-Politik anzupassen. Kohl habe die Kredite auf direkten Wunsch von US-Präsident Bush gesenkt. Die US-Regierung hat weitere Kreditgarantien für Israel so lange ausgesetzt, bis die Regierung Schamirs auf den Bau neuer Siedlungen in den besetzten Gebieten verzichtet. In Washington und Bonn werden solche Absprachen energisch dementiert.
Israel begründete seine Kreditforderungen mit Ansprüchen auf Reparationszahlungen für NS-Verbrechen, die Israel noch der DDR-Regierung gegenüber geltend gemacht hat. Die darüber in Kopenhagen geführten Verhandlungen waren kurz vor der deutschen Wiedervereinigung ohne Ergebnis abgebrochen worden. Israels Außenminister David Levy brachte das Thema im März 1991 wieder auf den Tisch. Israel erwarte, daß „die unbezahlten Schulden der DDR“ von Bonn beglichen würden, erklärte er damals. Nach dem Ende des Golfkrieges schien der richtige Moment gekommen, um erneut in Bonn vorstellig zu werden. Als vor einigen Monaten in Israel bereits erhebliche Zweifel an dem Eintreffen der US-Kredite bestanden, wandte sich Levy in einem Schreiben erneut an Kohl und Genscher. Die Antwort auf diesen „Mahnbrief“ soll in der vergangenen Woche in Jerusalem eingegangen sein. Sie soll die Zusicherung enthalten, daß die Bundesregierung weiterhin beabsichtige, Israel zu helfen. Dieser Hinweis wurde von der Jerusalemer Regierung dahingehend interpretiert, daß Bonn bereit ist, vertrauliche Verhandlungen über die Hilfe bei der Eingliederung jüdischer Einwanderer wiederaufzunehmen.
Nach Angaben eines hochrangigen israelischen Beamten macht man sich in Jerusalem jedoch wenig Hoffnungen auf deutsche Kredite, die weit über eine Milliarde DM hinausgehen. Von den offiziell geforderten zehn Milliarden ist regierungsintern, auch angesichts der finanziellen Sorgen Bonns, keine Rede mehr. Kohl soll in seinem letzten Schreiben darauf hingewiesen haben, daß die „massive“ deutsche Finanzhilfe an Israel auch „im internationalen Kontext“ zu sehen sei. Dies gilt als kaum versteckter Hinweis auf Israels Rolle im Nahostfriedensprozeß und der israelischen Ablehnung von EG-Beobachtern bei den multilateralen Gesprächsrunden, die Mitte Mai beginnen sollen.
Die 'Jerusalem Post‘ bezeichnet die geforderten zehn Milliarden Mark als Ersatz für die „Reparationsschuld“ der ehemaligen DDR. Die angesehene Tageszeitung zitiert in ihrer gestrigen Ausgabe „diplomatische Quellen“, die der Überzeugung Ausdruck geben, daß in Sachen Kreditgarantien, „die Deutschen den Amerikanern nicht vorgreifen werden“. In israelischen Regierungskreisen ist man fest davon überzeugt, daß US-Präsident George Bush sowohl die Bundesregierung als auch die EG dazu aufgefordert hat, Israel keine Kredite zu gewähren, solange der Bau von neuen Siedlungen in den besetzten Gebieten anhält. Derweil errichtete die radikale Siedlerbewegung „Gush Emunim“ am Montag auf der Westbank eine neue Siedlung. Nach Angaben der Siedler trägt das neue Containerdorf den Namen „Menachem Begin“. Der ehemalige israelische Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger war vor wenigen Wochen gestorben.
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