Keine Supp-Kultur

Lindenstraße und Knorr-Serie im Vergleich  ■ Von Horst Tomayer

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie lebhaft es in der Lindenstraße zugeht, und wie sehr es in der Knorr- Serie totelt? Auch in der Lindenstraße verköstigen sich die Protagonisten hin und wieder mit dem Zeug aus dem Beutel, aber doch nur, weil das wie der Löwe brüllende Leben sie in den Krallen hat, und manchmal keine Zeit ist, selber die Erdäpfel zu schälen und den Lauch zu schneiden. Rollstuhl, Frühgeburt, Sitzstreik, Schulverweise, Rassenschande, Rauschgift, Zungenkuß, Ratenvertrag — da ist keine einzige Folge in Serie, wo der Deckel von Pandoras Büchse nicht sperrangelweit offen steht. Herrlich! Aber was tut sich diesbezüglich in der Knorr-Serie?

Von Null bis Nada — nix! Ist in der Lindenstraße das gelegentliche schneebesenmäßige Einrühren von Fertigsuppen Mittel zum Lebenszweck, welcher sich, wie gesagt, vom Zungenkuß über Rauschgift, Schulverweis, Ratenvertrag, Sitzstreik, Rassenschande und Frühgeburt bis hin zum Rollstuhl erstreckt, so mutiert in der Knorr-Serie das Lebensmittel Tütensuppe zum Lebenszweck selber, verkommen die Personen der dramatischen wie gleichermaßen langweiligen Handlung zu Handlangern und Stichwortgebern des Zeugs im Beutel. Und es ginge doch, den Protagonisten Leben einzuhauchen und vor allen Dingen sie so zu determinieren, daß ihr zwanghafter Griff zum Beutel mit dem Zeug zureichend begründet wäre.

Der Knorr-Opa, ein der Werbungsretorte schauderhaft gelungen entsprungenes Exemplar des vergangenheitslosen, restlos entsexualisierten ununterbrochen postkindisch-präsenil grinsenden Klischee- Senioren, könnte Flugzettel gegen die Asylbewerberflut verteilen, die Mutti eine Alkoholikerin sein, die den ganzen Tag in der Bahnhofsgaststätte die Underbergrunde dreht, Männe hätte das Zeug zum verschämten Arbeitslosen, der entweder im Park oder im Pornokino seine acht Stunden absitzt, die weiblichen Zwillinge sähe man gern die Schule schwänzend beim Anschaffen und das männliche Nesthäkchen beim Rentnerinnenbeklauen, bevor die Familienbande dann am Abend, erschöpft vom Tun des Tages und zum persönlichen Schälen der Erdäpfel und zum leibhaftigen Schneiden des Lauchs nicht mehr fähig, sich um den Schneebesen versammelt zum Einrühren des Zeugs aus dem Beutel. Wollen oder können die Drehbuchautoren und Regissöre der Knorr-Serie nicht einsehen, daß es dem Zeug aus dem Beutel auf Dauer nicht dient, wenn so verfahren wird, wie das übern Sender geht? Frage ich mich mit Ihnen, verehrte Zuhörer, a) erschüttert, b) verbittert.