Neuer Beruf in der Behindertenbetreuung

■ Zivildienstleistende raus, Hauptamtliche rein

Daß Behinderte ein Leben nach ihren eigenen Vorstellungen — unabhängig vom Heim in der eigenen Wohnung — führen wollen, ist heute nichts Ungewöhnliches mehr. Ermöglicht wird das durch die Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung (ISB) — eine Hilfe, die zum Teil rund um die Uhr gewährleistet sein muß. Seit zehn Jahren übernehmen fast ausschließlich Zivildienstleistende diese Aufgabe. Doch seit der Verkürzung des Zivildienstes steht die Behinderten-Versorgung auf wackeligen Füßen.

Deshalb fordern die fünf Bremer Träger der ISB nun den Aufbau eines neuen Berufsbildes: „Der Bedarf steigt ständig, aber mit Zivildienstleistenden läßt sich der ganze Bereich bei weitem nicht mehr abdecken“, sagte gestern Heinz Janning, Mitarbeiter des Sozialen Friedensdienstes. Besondere Mängel bisher: Behinderte Frauen konnten nur von jungen Männern Hilfe bekommen — was zum Beispiel auch die Intimpflege betrifft. Und durch den ständigen Wechsel der Zivildienstleistenden läßt sich keine Kontinuität in der Betreuung erreichen. „Ein ganz wichtiger Punkt“, findet Solveig Eisert von der Assistenzgenossenschaft, „das persönliche Verhältnis spielt bei dieser gemeinsamen Arbeit eine ganz große Rolle“.

Seit einem Jahr machen die ISB- Träger Erfahrungen mit sogenannten „LaienhelferInnen“, festangestellten MitarbeiterInnnen, die langfristig mit einzelnen Behinderten zusammenarbeiten. Daraus soll nun eine Art neues Berufsbild entwickelt werden, das über eine geregelte Qualifikation abgesichert werden soll. Dabei komme es allerdings eher auf die psychologische Qualifikation als auf die praktischen Hilfen an, betonten die BetreuerInnen. Schließlich müssen „AssistenzgeberIn und -nehmerIn“ acht oder mehr Stunden am Tag miteinander auskommen.

Zur Zeit betreuen die ISB-Träger mit 57 hauptamtlichen MitarbeiterInnen und 30 Zivildienstleistenden 85 KlientInnen — wie groß der eigentliche Bedarf ist, läßt sich allerdings nicht sagen. „Die Grauzone derer, die sich aus Kostengründen von Familienmitgliedern betreuen lassen, ist sehr groß“, sagt Heinz Janning. Das Angebot werde die Nachfrage bestimmen: Dann könnten sich Behinderte auch überlegen, aus Heimen auszuziehen. Und der gesamte Bereich der psychisch Behinderten sei bisher gar nicht erfaßt. Von der Sozialbehörde erwartet Janning Unterstützung: „Die hat wohl eingesehen, daß es keinen anderen Weg als die Professionalisierung gibt.“ skai