Frauenkondom

■ In den USA hat „Reality“ die Zerreißprobe bestanden

Er knistert und rutscht zuweilen und er soll den Frauen die Gleichberechtigung ein Stück näher bringen: der Pariser für „sie“. Der Schlauch aus durchsichtigem Polyurethan hat ein Diaphragma- ähnliches Gebilde auf der einen Seite, einen flexiblen Ring auf der anderen. Das Diaphragma wird über den Muttermund gestülpt, Polyurethan kleidet die Scheide aus und bedeckt die außenliegenden Genitalien.

„Reality“ oder auf deutsch Realität heißt diese Erfindung aus den USA. Sie bietet Frauen, deren Partner kein Kondom verwenden wollen, eine „realistische“ Antwort, findet der Arzt Mervyn Silverman: „Wenn Du Deinen nicht benutzt, nehm' ich meinen.“ Silverman ist Vorsitzender der „American Foundation for Aids Research“ ( US- amerikanische Stiftung für Aids- Forschung). Er pries die Vorzüge von Reality jüngst vor der Zulassungsbehörde für Nahrungs- und Arzneimittel (FDA). Der Gummi für die Frau schützt vor Schwangerschaft so verläßich wie andere „Barrieremethoden“ — Diaphragma, Schaum und Verhütungsschwamm. Außerdem verhindert er Infektionen. Weil „sexuell übertragene Krankheiten heute epidemische Ausmaße erreicht haben“, so Cynthia Pearson vom Washingtoner Frauengesundheits-Netzwerk, sollte Reality als Alternative zu anderen Verhütungsmethoden zugelassen werden.

Wie effektiv der Gummi die Frau vor Infektionen schützt, zeigt eine Studie mit dem relativ harmlosen Erreger der Trichomoniasis. Frauen, die mit dem Erreger infiziert waren, wurden mit Antibiotika behandelt. Anschließend erklärten sich 54 der 104 Testpersonen bereit, Reality zu verwenden. Alle Testpersonen waren entweder sterilisiert oder nahmen die Pille. Sechs Wochen später zeigten sich jene Frauen, die das Kondom gewissenhaft bei jedem Geschlechtsverkehr benutzt hatten, noch ohne Infektionen. Von denjenigen, die sich nicht regelmäßig mit Reality geschützt hatten, infizierte sich jede fünfte neu. Fazit: Das Kondom für die Frau verhindert Infektionen so gut wie der Pariser.

„Epidemische Verbreitung“ erreichen laut Pearson heute nicht nur das HIV-Virus, sondern die Erreger von Syphilis, Gonorrhöe, Herpes, Chlamydia und der krebsauslösende Papilloma- Virus. Das HIV-Virus wird leichter von einem HIV-infizierten Mann auf Frauen übertragen als von einer HIV-infizierten Frau auf Männer. „Ironischerweise“, so Pearson, „hängt der bisher beste Schutz einer heterosexuellen Frau vor Infektionen ganz von der Kooperation ihres Partners ab.“

Das Kondom für die Männer, meint Silverman, gibt es seit 400 Jahren. „Nun haben wir ein Äquivalent für die Frau. Es wäre eine Tragödie, diese Gelegenheit nicht zu ergreifen.“ Die FDA stimmte letzten Monat zu. Nachdem Reality noch einige Tests zum Infektionsschutz und eine Zerreißprobe bestanden hat, soll das Frauenkondom Mitte des Jahres auf den US-Markt kommen. Silvia Sanides