Schwarz-Grün

■ betr.: "Wenn mei Onkel koi Schhwänzle hätt' wär's mei Tante", Streitgespräch zwischen Ludger Volmer und Winfried Kretschmann, taz vom 18.4.92

betr.: „Wenn mei Onkel koi Schwänzle hätt' wär's mei Tante“, Streitgespräch zwischen Ludger Volmer und Winfried Kretschmann, taz vom 18.4.92

Ich habe den Eindruck, daß Ludger Volmer die Grünen nur unter dem Blickwinkel der universitär-alternativen Zirkel in entsprechenden Städten sieht und von daher immer mit einer gewissen „Kultur“ und „Identität“ argumentiert.

Ich glaube, Ludger, du kennst deine eigene Partei ziemlich schlecht. Sie besteht nicht nur aus sogenannten „Alternativen“ beziehungsweise entsprechenden Zirkeln. Wenn das das tragende Element wäre, hätten wir auf dem flachen Land überhaupt keine Chancen. Es ist doch gerade unser Anliegen, alle ökologisch und halbwegs liberal denkenden Leute unter eine Zielrichtung zusammenzubringen, um die Utopie des ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft auch nur ansatzweise verwirklichen zu können. Dazu müssen wir heraus aus den Lagern, und ich kann überhaupt nicht verstehen, wieso Gespräche und Bündnisse mit der CDU grundsätzlich anders zu bewerten sind als die mit der SPD — etwa, weil die SPD manchmal einen grünen Anstrich hat? [...] Ich finde auf jeden Fall die Gespräche in Baden-Württemberg sehr spannend und hoffe, sie können die festgefahrene Parteienlandschaft aufbrechen.

Übrigens: Daß auf lokaler Ebene manchmal mit der CDU mehr Gespräch und rationaler Diskurs möglich sind als mit der betonierten SPD, dürfte Dir, Ludger, als Sprecher der Partei doch nicht entgangen sein? Klaus-Dieter Grothe,

Sinn-Edingen

Lagerdenken überwinden

Aus der zugegebenermaßen beschränkten Perspektive eines kleinen grünen Stadtverbandes möchte ich Ludger Volmer deutlich widersprechen.

Wer tagtäglich mit dem SPD-Filz im Erftkreis konfrontiert ist, wird, wenn er die kommunalpolitisch relevanten Politikfelder Revue passieren läßt, kaum noch zu dem Schluß kommen, daß die SPD der CDU systematisch als kleineres Übel vorzuziehen sei. Im Gegenteil: Entgegen aller ökologischen Lippenbekenntnisse auf Bundesebene betonieren die „Genossen“ vor Ort nach wie vor die Landschaft mit Parkplätzen, Straßen und Baudenkmälern zu.

Demgegenüber findet man bei der CDU nicht nur an der Basis sensible und insbesondere für ökologische Fragen aufgeschlossene Leute bis hin zu JUlern, die sich vom Habitus her kaum noch von Grünen unterscheiden. Selbst in der schwierigen Frage des Umgangs mit Asylbewerbern kooperieren Grüne mit Initiativen, deren Mitglieder zum Teil aus dem CDU-Umfeld (katholische Kirchengemeinden, Caritas) stammen, gegen eine Politik sozialdemokratischer Verwaltungsbeamten, an der die CSU sicher nichts auszusetzen hätte.

Was die weltanschaulichen und Milieubindungen der Grünen in unserem Stadtverband angeht, so gibt es idealtypisch drei Positionen. Neue Mitglieder, für die das Denken in politischen Lagern mehr oder weniger irrelevant ist. Leute mit einer politischen Biographie links von der SPD beziehungsweise Bewegungshintergrund. Bedingt durch konkrete kommunalpolitische Erfahrungen stößt eine Politik der partiellen Zusammenarbeit mit der CDU auf lokaler Ebene bei diesem Personenkreis auf Offenheit und Neugier. Lediglich zwei ehemalige SPD-Mitglieder wehren sich vehement gegen jede „Öffnung“ der Partei.

Mein Fazit: Allein die Tatsache, daß die KollegInnen in Baden-Württemberg mit der CDU ernsthaft verhandelt haben, bedeutet für die Grünen einen „kulturellen“ Durchbruch. Grüne Politik muß sich in Zukunft noch stärker an Inhalten und nicht mehr über Lagerzugehörigkeiten definieren. Das verbessert zudem die Chancen, grüne Positionen gesellschaftlich mehrheitsfähig zu machen. Nicht zuletzt vermindert es die Erpreßbarkeit der Grünen durch die SPD.

Unsere FreundInnen vom Bündnis90 meinen, die Grünen mit einer gewissen Penetranz darauf hinweisen zu müssen, daß die Grünen sich stärker zur Gesellschaft und zu allen politischen Lagern hin öffnen müßten. Durch die Verhandlungen in Baden-Württemberg wird offensichtlich, daß eine solche Öffnung längst die Realität vieler Stadt-, Kreis- und Landesverbände ist. Baden-Württemberg könnte so gegebenenfalls auch dazu beitragen, die Wogen des etwas herbeigeredet wirkenden Streites mit den KollegInnen vom Bündnis90 zu glätten. Roger Peltzer, Mitglied des Vorstandes der Grünen in Kerpen