Streik lähmt die Konsumtempel

■ Weil die BVG streikte und der Verkehr stand, blieben die Kaufhäuser und die Kassen leer/ Einzelhandel sieht seine Bedenken gegenüber autofreier Stadt und BVG-Monopol bestätigt

Berlin. »Das ist wirklich sparsam — die Hausfrau, die das kennt, ist immer wieder begeistert!« So eloquent der Verkäufer von Karstadt an der Steglitzer Schloßstraße sein »IN«- Metallpflegemittel anpries, so wenige der roten Tuben konnte er am gestrigen Vormittag an die Frau oder den Mann bringen. Weil keine Busse und Bahnen rollten, war die Schloßstraße wie zu Ferienzeiten leergefegt. Dafür waren ungewöhnlich viele Radler mit bunten Sturzhelmen auf ebenso farbenfrohen Mountain- oder City-Bikes zu sehen. Zu ihnen gehörte auch Jens Albrecht aus Potsdam. Der 23jährige Student kam extra von weit her geradelt, um bei Karstadt eine Luftpumpe und eine Sattelstütze umzutauschen. »An anderen Tagen fahre ich von Potsdam natürlich mit der S-Bahn«, erzählte Jens.

Wie hoch beim Einzelhandel Umsatzeinbußen durch die fehlende BVG-Kundschaft waren, wird erst heute ermittelt werden können. Jedoch ergab eine Umfrage, daß in die großen Kaufhäuser im Westteil deutlich weniger Käufer strömten.

Der Geschäftsleiter von Wertheim, Konrad Krüger, vermutete, daß wahrscheinlich vorwiegend aus den entfernteren Außenbezirken weniger Kunden kamen. Nach den bedauernden Worten des Verkaufsdirektors Wilhelm Stratmann hat in der gestrigen ersten Tageshälfte im Kaufhaus KaDeWe am Wittenbergplatz der Strom der kauflustigen Konsumenten »sehr zu wünschen übriggelassen«.

Viele, die in der City einkaufen wollten, hätten sich erst gegen Mittag den Weg ins KaDeWe »gebahnt«, so daß das riesige Kaufhaus dann wieder »gut gefüllt« gewesen sei. Stratmann: »Schließlich leben wir auch von den vielen Kunden, die in der City-Umgegend arbeiten und in der Mittagspause ihre Einkäufe erledigen.«

Von einem Geschäft, das »sehr, sehr verhalten« begonnen habe, sprach auch der Geschäftsführer von Karstadt am Hermannplatz in Neukölln, Helge Armbrust. Traditionell setze in Neukölln allerdings erst am Nachmittag der starke Käufersturm ein, erklärte der Karstadt-Geschäftsführer.

Wie der Geschäftsführer des Berliner Gesamtverbandes des Einzelhandels (GDE), Nils Busch-Petersen, erklärte, füllten sich im Laufe des gestrigen Tages auch viele andere Einzelhandelsgeschäfte wieder wie üblich. Laut Busch-Petersen haben es in der Frühe einige Ladenbesitzer wegen des BVG-Streiks nicht geschafft, ihre Geschäfte pünktlich aufzuschließen. Nicht nur deswegen gab es bei dem Verband empörte Anrufe von Mitgliedern.

Tenor vieler Beschwerden der Einzelhändler war Busch-Petersen zufolge, daß man die Frage einer »autofreien Innenstadt«, wie sie eigentlich der Senat wünsche, »neu durchdenken« müsse. Busch-Petersen: »Unsere Basis sagt, der öffentliche Nahverkehr darf nicht weiter eine Monopolstellung haben, so daß der Verkehr zusammenbricht, wenn die ÖTV zum Streik aufruft.« Berlin dürfe durch eine Abhängigkeit von Bussen und Bahnen jedenfalls nicht zu einer »Stadt langer Wege und schwer erreichbarer Geschäfte werden«, betonte der Verbandssprecher. Dies sei aber der Fall, wenn der Senat in seinem Innenstadtkonzept den Anteil des Autoverkehrs auf nur noch 20 Prozent drücken wolle. Der Sprecher: »Wenn wir zehn Prozent weniger Autos auf den Straßen haben, reicht das schon, um das Risiko eines Verkehrsinfarkts zu vermindern. Das belegen Untersuchungen in bundesdeutschen Großstädten.« Thomas Knauf