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: Alles, was am Herzen liegt

■ "Eine verlorene Liebe", Montag, 20.10 Uhr, ZDF

Teuer muß es ja gewesen sein, das Fernsehspieldebüt der preisdekorierten Dokumentarfilmerin Heike Mundzeck. Die Besetzung, die sie in Nebenrollen auflaufen ließ, ist nicht gerade im Schnäppchenmarkt zu haben: Rolf Hoppe, Otto Sander, Christoph Eichhorn, Jutta Speidel.

Helmut Griem, auch kein ganz Unbekannter, mimte in der Hauptrolle den Friedhofsgärtner Rolf Steuber, der aus heiterem Himmel von der Existenz einer 16jährigen Tochter erfährt, die er vor seiner Hochzeit gezeugt haben soll. Diese Nachricht wirft ihn und seine Frau so aus der Bahn, daß seine Ehe zu Bruch geht, er seinen Job verliert, obdachlos wird, mit anderen Pennern gern mal einen über den Durst trinkt, völlig unmotiviert von Hamburg nach Berlin fährt, dort durch Zufall in einer Hausbesetzergruppe landet und — hoppla! — sein Glück wiederfindet.

Eine hanebüchene Story, die uns Eine verlorene Liebe da auftischt, perfekt unterstützt von den hölzernen Dialogen („Sei doch nicht so aufgeregt.“ — „Was heißt denn aufgeregt.“) und dem kollabierenden Soundtrack, der von Gitarrengeklimper zu kreischenden Gitarren taumelt, daß man am liebsten den Ton abgedreht hätte.

Mundzeck, die das Buch schrieb und Regie führte, hatte wohl die Befürchtung, daß sie vielleicht nur die eine Chance haben würde, alles zu zeigen, was ihr so am Herzen liegt: kaputte Ehen, uneheliche Kinder, Obdachlose, Alkoholiker, Ausländer, Instandbesetzer, und was da sonst noch so problemelt in der Republik. Und das muß dann auch da rein, komme was da wolle, ob's paßt oder nicht — egal, wenn nur Kreuzberg auch noch mit drin ist.

Aber das war nicht das schlimmste, auch die nicht bewährte Tatort- Gestik (in die Hände gestützte Gesichter und bestürzte Blicke knapp rechts an der Kamera vorbei) oder die anscheinend unvermeidliche Diktatur der Halbtotalen. Viel schlimmer war noch, daß man sich während des dramatischen Abstiegs des RolfS. ständig fragte, wie sich jemand denn so dämlich anstellen kann. Der Mann war sogar zu vergeßlich, Arbeitslosengeld zu beantragen, und fast so blöde, sich beim Stehlen der Skatkasse seiner ehemaligen Kollegen erwischen zu lassen. Mundzeck hat es sozialkritisch gemeint und doch nur grandiose Anti- Werbung für Randgruppen betrieben. Und noch schlimmer war die Vorstellung, daß die Menschen da draußen außerhalb der Fernsehkameras wirklich so tumb agieren könnten, wie es sich Heike Mundzeck vorstellt, und man selbst bisher ein etwas gestörtes Verhältnis zur Realität hatte.

Aber am anderen Morgen war dann alles wieder wie sonst auch. Da war ich doch sehr beruhigt. Thomas Winkler