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Lernen, Bayernbuben!

■ Eishockey-Weltmeisterschaft: Deutschland — Finnland 3:6/ Vermehrte Kopfarbeit ist gefordert

Prag (taz) — Es ist Frühling in Prag, und die Deutschen sind mal wieder da. Nicht unbedingt zahlreicher als sonst, vielleicht aber ein bißchen lauter. Uniformiert sind sie, und über den Wenzelsplatz quengeln sie unüberhörbar ihr „Deutschland, Deutschland“. Sie kommen aus Mannheim und Düsseldorf, aus Memmingen und Augsburg, sie kommen wegen des Spiels mit dem Puck, und sie sind optimistischer denn je, was deutsches Siegen angeht.

Alle Jahre wieder hat man sie mit einem hoffnungsvollen Futurum für ein trostloses Präsens entschädigt, hat den endgültigen und langersehnten Durchbruch zu den richtig Großen der Szene stets um ein weiteres Jährchen verschoben, doch diesmal soll es nun endlich nach Möglichkeit, wenn irgend machbar und falls nicht doch noch etwas dazwischen kommt, klappen.

Den Optimismus schöpft man aber im Prinzip nur aus einer einzigen Quelle, jenem mit seiner Schlußsirene bereits verklärten „Penalty-Drama“ von Méribel, dem olympischen Viertelfinale, das gegen Kanada erst im Shootout verloren ging. Und viel wichtiger: das eine TV-Einschaltquote von fast zehn Millionen erreichte. Und selbst von der Tagesschau nicht zu stoppen war! Mithin also ein Erfolg, der sich nur noch mit Becker- Tennis oder Fußball messen läßt!

Seitdem weiß man, was möglich ist, wenn eine einzige Bedingung erfüllt werden kann: Spiele zu gewinnen, möglichst viele und möglichst das Viertelfinale, so man es erreicht, auch noch. Da scheint es besonders günstig, daß zahlreiche andere Teams erhebliche Probleme bekamen, ihre Besten nach Prag und Bratislava zu locken: Neben den traditionell unterbesetzten Nordamerikanern hat es heuer auch die Schweden, die Tschechoslowaken und die Finnen getroffen. Ungünstig ist nun aber, daß sich im Auftaktspiel selbst letztere als eine Nummer zu groß erwiesen.

Ludek Bukac, der Bundestrainer, vermutete zwar hernach, beim 3:6 (0:0, 1:2, 2:4) sei sein Team nach gutem Beginn erst vom kanadischen Schiedsrichter Münch drausgebracht worden, doch sein Vorgänger im Amt, Ladislav Olejnik mochte solch schönem Reden nicht zustimmen. Konzeptionell, so Olejnik, seien die Finnen einfach besser gewesen. Was stimmt, und im Klartext nichts anderes bedeutet, als daß Pentti Matikainens Team gegen eine defensiv eingestellte deutsche Mannschaft nicht auf-, sondern ebenfalls und noch perfekter zumachte.

„Die Situation hat sich völlig anders entwickelt, als sie bei Olympia war“, klagte denn auch ein genervter Bukac, „die anderen respektieren uns jetzt.“ Frei übersetzt: Sie laufen nicht, wie geplant, ins tödliche Offensivspielmesser. Aber wer macht das überhaupt noch, dieser Tage, wo alles mit Mann und Maus verteidigt? Da entscheidet die Disziplin und die Intelligenz. Theoretisch völlig klar: „Wenn unser Tor in Gefahr ist“, so Bukac, „ist auch alles erlaubt. Wenn nicht, muß man mit dem Kopf spielen!“

Doch das den bayrischen Raufbolden beizubringen, erweist sich auch für den tschechoslowakischen Weltmeistercoach von 1985 als bisher unlösbare Aufgabe. „Wir haben einfach zu viele Strafzeiten kassiert“, konstatierte der strafzeitenfreie Kapitän Gerd Truntschka, und wirklich: Gerade vier Minütchen waren gegen die Finnen gespielt, da hatte der notorische Holzmann Schorsch bereits seine erste Schlägerei angezettelt und erfolgreich hinter sich gebracht. Es folgten neun weitere Strafzeiten, „alle unnötig“, wie der Bundestrainer befand und als unumgängliche Folge Gegentore in Unterzahl und vorzeitige Mattheit durch Überstrapazierung im kraftraubenden vier oder zweimal gar drei gegen fünf.

Mit Kopf spielen? „Wir sind das einfach nicht gewohnt“, analysiert der weise Bukac, dem es längst stinkt, daß seine Stars von DEG und Rosenheim selig ihre Bundesligaspiele, ohne selbigen allzusehr zu strapazieren, im Dutzend billiger zu gewinnen pflegen.

Bei einer WM werde nunmal „ganz anders als zu Hause“ gespielt, intelligenter eben, weil die kleinste Unbeherrschtheit bestraft wird. „Unsere Spieler brauchen noch etwas Zeit, sich anzupassen“, sagt Bukac, und hofft, daß die Bayernbuben lernen. Und zwar schleunigst. Schließlich findet die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in Deutschland statt, die Inlandsbranche sprich Bundesliga boomt, und die das Welteishockey dominierende deutsche Drumherumwirtschaft will endlich werbewirksame Rendite einkassieren. Méribel darf sich da unter keinen Umständen als Eintagsfliege herausstellen.

„Es ist klar, daß alle Leute — Presse, Werbeleute und Spieler — den Erfolg wiederholen möchten“, spürt Bukac den Druck. Der Doktor macht sich und dem Patienten auch durchaus Hoffnung: „Ich glaube schon, daß das deutsche Eishockey besser geworden ist.“

Ob besser aber gut genug heißen kann, ist zweifelhaft. Ludek Bukac realistisch-fatalistisch: „Wir müssen eben die Italiener und die Polen schlagen, und dann ist im K.O.-System alles offen.“

Seltsam bekannt klingen diese Töne, so wie alle Jahre wieder, und die darin enthaltene Hoffnung speist sich im Moment wohl aus kaum mehr als sich selbst. Peter Unfried

Ergebnisse, Gruppe A: Finnland — Deutschland 6:3, USA - Italien 1:0, Schweden - Polen 7:0; Gruppe B: Schweiz - GUS 2:2, CSFR - Norwegen 6:1, Kanada - Frankreich 4:3

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