Lebenslange Haft für Mord an Kriegsrichter verlangt

Hamburg (taz) — Im Prozeß um die Tötung des deutschen Wehrmachtsrichters Kallmerten 1947 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, begangen durch zwei deutsche Mitgefangene, ist die Beweisaufnahme abgeschlossen und sind die Plädoyers gehalten. Dabei ist der Freispruch für den einen der beiden Angeklagten, den 72jährigen Karl Ki., nur noch eine Formsache, nachdem der Staatsanwalt selbst einen Freispruch forderte. Die Anschuldigung, Ki. habe in seiner Eigenschaft als frischbestallter Leiter der Lager-Antifa die Tötung des Kriegsrichters geplant und organisiert, stand am Ende der Beweisaufnahme als das da, als was es schon vorher erkennbar schien — als ideologische Verblendung.

Schwieriger hatte es da die Verteidigung des zweiten Angeklagten Gerhard Bö. Der war unzweifelhaft bei der Tötung anwesend und hatte sich unmittelbar nach der Tat, die entweder von dem verschollenen Klaus We. allein oder zusammen mit Bö. nachts in der fast leerstehenden Offiziersbaracke ausgeführt worden war, schriftlich selbst bezichtigt. Kürzlich in Moskau durch den russischen Historiker Brodski aufgefundene Dokumente (die taz berichtete) führten denn auch zu der letzten, vielleicht entscheidenden Wendung in diesem Prozeß, als Bö., nach langem Zögern und unter sichtlichen Qualen, eingestand, Kallmerten die Kehle durchgeschnitten zu haben.

Trotzdem erscheint die vom Staatsanwalt geforderte lebenslange Freiheitsstrafe für Bö. auf wackligen Füßen zu stehen, denn die Umstände und der Ablauf der Tat sind in den letzten sechs Monaten dieses Prozesses trotz Dutzender von Zeugenaussagen immer zu unklar geblieben. Ob eine glaubwürdige Bewertung der Tötung als Mord dem Gericht überhaupt gelingen kann, erscheint am Ende dieses Prozesses mehr als fraglich.

Am 8. Mai haben die beiden Angeklagten das letzte Wort, zehn Tage später soll das Urteil verkündet werden. Clemens Grün