: China weist Gewerkschafter aus
Die BesucherInnen aus verschiedenen europäischen Ländern hatten auf dem Platz des Himmlischen Friedens für freie Gewerkschaften demonstriert/ Die Sicherheitsbehörden reagierten sofort ■ Aus Peking Lutz Pohle
„Die chinesische Polizei kann uns ausweisen, aber sie kann nicht das chinesische Volk und seinen Kampf für freie Gewerkschaften, demokratische Rechte und Demokratie ausweisen“, sagte der französische Gewerkschafter Jean-Pierre Barriot nach seiner Ankunft am Freitag vormittag in Hongkong. Er und sieben andere Parlamentarier und Gewerkschaftsvertreter von der „Internationalen Unabhängigen Kommission der Arbeiterbewegung für freie Gewerkschaften und demokratische Rechte“ waren auf einer Studienreise, die am Mittwoch abrupt von den chinesischen Sicherheitsbehörden beendet wurde.
Zusammen mit dem Franzosen Barriot hatten andere europäische GewerkschafterInnen — Robert Parry aus Großbritannien, Cornelia Matzke (Bündnis 90/Grünen-Abgeordnete im sächsischen Landesparlament) und Gotthard Krupp-Boulboulle (SPD) aus Deutschland, Irene de Savoy (Genf) aus der Schweiz, Alain Denizo (CGT) und Jean-Pierre Barriot (ICFTU) aus Frankreich, Joseph Szebes aus Ungarn und der Journalist Olivier Dorianne — am Donnerstag um 15.10 Uhr Pekinger Zeit vor dem „Denkmal der Helden des Volkes“ auf dem Tian-anmen-Platz ein Transparent entrollt. Mit dem Spruch „Lang leben freie Gewerkschaften“ forderten sie darin die Freilassung der politischen Gefangenen und die Zulassung freier Gewerkschaften in China. Zuvor war der Gruppe der Besuch zweier politischer Gefangener verweigert worden. Für die chinesischen Sicherheitsbehörden war die Aktion auf dem seit den Studentenprotesten im Jahr 1989 streng bewachten Tian-an- men-Platz der Anlaß zuzuschlagen. Es dauerte ganze drei Minuten, bis die Angehörigen der bewaffneten chinesischen Polizei erschienen und die DemonstrantInnen zwangen, in einen Kleinbus zu steigen. Ein Team der ARD und der Pekinger Korrespondent der britischen Rundfunkgesellschaft BBC wurden gleichfalls mitgenommen.
Es folgte eine fast siebzehnstündige Odyssee durch das Labyrinth der chinesischen Sicherheitsbehörden. Zuerst stundenlanges Verhör in einer Polizeistation nahe dem Platz des Himmlischen Friedens, die sich in den historischen Gebäuden des früheren Kaiserpalastes befindet, dann Fahrt mit einem Bus durch die Pekinger Nacht zum alten Flughafenhotel. „Telefongespräche waren nicht gestattet“, sagte Robert Parry, Mitglied des Europarates und britischer Unterhausabgeordneter. Er ist Diabetiker, und selbst die notwendige Einnahme von Medikamenten wurde ihm in den ersten drei Stunden nach seiner Festnahme verweigert, sagte Parry. „Wir werden nicht aufhören, für demokratische Rechte und die freien Gewerkschaften in China zu kämpfen, heißt es in einer Erklärung, die die Gruppe am Donnerstag zuvor in Peking veröffentlicht hatte.
Erst als der britische und der Schweizer Botschafter beim chinesischen Außenministerium protestiert und Zugang zu den Gefangenen verlangt hatten, wurde die Behandlung etwas besser. Die deutsche Botschaft bemühte sich am Freitag nachmittag noch um eine Erklärung. Die BesucherInnen hatten Gespräche im Allchinesischen Gewerkschaftsbund, die nach ihren Angaben aber nichts Neues über die offizielle chinesische Position erkennen ließen. Freie Gewerkschaften sollen in China verboten bleiben. Gespräche mit Vertretern der chinesischen Justiz sowie Besuche in Gefängnissen sind der Delegation nicht gestattet worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen