„Schon lange keinen mehr so zusammengeschlagen“

■ Die Polizei in Los Angeles hat den Schwarzen schon lange den Krieg erklärt: Polizeichef Gates rechtfertigte in der Vergangenheit jede Brutalität

„Ich hab schon lange keinen mehr so zusammengeschlagen!“ brüstet sich der Sprecher über Funk. Worauf ihm ein Kollege antwortet: „Ich dachte, du hättest versprochen, die Sache für eine Zeit abkühlen zu lassen.“ Die Zitate stammen aus dem Transkript des Polizeifunks im Anschluß an ihre „Aktion“ gegen Rodney King. Zusätzlich zum Polizeifunk hatte ein Amateurfilmer den Zwischenfall auf Video festgehalten. Darauf erkennt man einen Polizisten, der seinen Schlagstock wie einen Baseballschläger schwingt. Mit beiden Händen weit ausholend, knüppelt er auf den Kopf des Schwarzen. Fast zwei Minuten prügelt er zusammen mit zwei weiteren Kollegen auf das hilflos am Boden liegende Opfer ein, der Einsatzleiter sieht zu. Die spätere Diagnose: Schädelbrüche, eine verletzte Augenhöhle, ein gebrochener Backenknochen, ein gebrochenes Bein, beide Knie verletzt und Nervenschäden, die zu Gesichtslähmungen führten, waren die Konsequenzen des Polizeieingriffs.

Daß die vier weißen Polizisten dennoch freigesprochen wurden, hat in Los Angeles schon Tradition. Beschwerden von Schwarzen gegen Übergriffe der Polizei führen so gut wie nie zum Erfolg — zur Not findet sich immer ein Kollege, der bezeugt, beim Opfer eine Waffe gesehen zu haben. Eigentlicher Hintergrund der Polizeibrutalität aber ist der sogenannte „Krieg gegen die Drogen“, der in Los Angeles längst zu einem Krieg gegen die Schwarzen geworden ist. „Hier herrscht Krieg“, propagiert der Polizeichef der Stadt, Daryl Gates, denn auch ganz offen. Der Mann ist sowieso kein Freund der sanften Linie. Vor einem Kongreßausschuß plädierte er dafür, auch gelegentliche Drogenkonsumenten zu erschießen, und forderte immer wieder eine US-Invasion in Kolumbien, um den Kokain-Nachschub zu stoppen.

Für die Prügelei seiner Untergebenen im Falle King äußerte er vollstes Verständnis: die Schläge seien für den Mann heilsam gewesen. Diese Polizei trifft in South Central Los Angeles, der hauptsächlich von Schwarzen bewohnten Vorstadt der Millionenmetropole, auf „Boyz'n the Hood“ — die längst aufgerüstet haben, wie John Singleton in seinem Film über das Ghettoleben beschrieb. Da genügt ein Tropfen, um das Faß zum Überlaufen zu bringen. Besonders geeignet dafür sind Polizeiübergriffe. Auch 1965, als Los Angeles schon einmal brannte, war das Vorgehen der Polizei gegen einen schwarzen Autofahrer der Anlaß. Und einem gewalttätigen Aufstand in Miami 1980 waren ebenfalls Polizeiprügel gegen Schwarze vorangegangen.

Die Dreistigkeit, mit der die weiße Jury die vier Polizisten im jüngsten Fall freisprach, erzürnte allerdings nicht nur das schwarze Amerika. Selbst Präsident Bush äußerte in einer ersten Reaktion auf das Urteil Unverständnis. Die Diskrepanz zwischen den Filmaufnahmen, die ganz Amerika wiederholt gesehen hat, und dem Freispruch sei „schwer verständlich“, meinte der Präsident. Seine Erwartung, das Urteil würde in einer Berufungsinstanz korrigiert werden, erwies sich jedoch als schlicht falsch. Eine höhere Instanz, die den Freispruch aufheben könnte, ist in Kalifornien nicht vorgesehen; das Urteil ist in jedem Fall rechtskräftig. Bush hat deshalb mit seinem Justizminister William Barr erörtert, die Polizisten vor einem Bundesgericht anzuklagen. Voraussetzung ist, daß man ihnen die Verletzung von Bürgerrechten nachweisen kann. Barr sagte dazu, es sei wichtig, der Bevölkerung klarzumachen, daß der Freispruch nicht das Ende des Verfahrens sei. Bis allerdings diese juristische Krücke greifen kann, ist es sowieso zu spät. An Gerechtigkeit werden die Schwarzen trotzdem nicht glauben. JG