GESICHTER DER GROSSTADT
: Die Verwandlung des Mädchen von nebenan

■ Katja Brauneis entspricht nicht dem Klischee einer Musicaldarstellerin/ Ihre erste eigene Show hatte jetzt in Berlin Premiere

Berlin. Sie ist nicht glamourös, sondern unauffällig, mehr guter Kumpel als verführerische Salonschlange. Ungeschminkt, in Jeans und Sweatshirt, entspricht Katja Brauneis auf den ersten Blick kaum dem Klischee einer Musicaldarstellerin, doch in dem Mädchen von nebenan steckt mehr: Wenn sie im bodenlangen Paillettenkleid auf der Bühne steht, ist die Verwandlung perfekt.

Nicht umsonst war die Janet aus der Rocky-Horror-Picture-Show, die Katja in den Kammerspielen spielte, eine ihrer Paraderollen. Ist die nette Hausfrau, die dem dekadenten Charme Frank N'Furters erliegt, vielleicht ein bißchen sie selbst? »Da könnte etwas dran sein«, lacht sie, und wenn sie lacht, bekommt sie kleine Grübchen, die ganz fabelhaft zu ihrem Wiener Akzent passen. »Mein Vater war nicht sehr begeistert, daß ich zum Theater wollte. Nach dem Abitur mußte ich erst einmal einen Crashkurs für Sekretärinnen besuchen. Nach einem halben Jahr bei den Vereinigten Edelstahlwerken hatte ich dann die Nase voll.«

Katja studierte zwei Jahre im Musicalstudio des Theaters an der Wien und lehnte ein Angebot als vierte Besetzung für Cats ab. Statt dessen kam sie als Peter Pan nach Berlin ans Theater des Westens — immerhin als zweite Besetzung, doch nur für eine Spielzeit: »Es ist schwierig, in großen Häusern Rollen zu bekommen, und wenn man erst einmal jahrelang im Chor gesungen hat, ist es noch schwieriger, da wieder rauszukommen. Ich wollte halt richtige Rollen spielen und glaube, daß mein Weg der richtige war.«

Der kleine Horrorladen in Berlin, A Chorus Line in Wien, On Your Toes in Stuttgart — seit einem halben Jahr ist Katja wieder in Berlin. »Die meisten Rollen habe ich über Empfehlungen bekommen, ‘auditions‚ mache ich nicht so gern. Man weiß nie, was die Regisseure wollen, und sie sagen es auch nicht. Man steht dann ziemlich verloren auf der Bühne, und entweder es gefällt einem oder nicht.« Vermißt sie nicht manchmal ihre Freunde oder die eigenen vier Wände? »Ich habe gar keine Wohnung. Es ist ein wenig ein Zigeunerleben, doch man bekommt mit der Zeit einen riesigen Bekanntenkreis. Meistens ist irgendein Kollege gerade woanders, und man kommt für ein paar Monate unter. Wenn ich nicht engagiert bin, lebe ich meistens bei meiner Schwester in Wien.«

Die Idee zu einem eigenen Programm hatte Katja Brauneis schon länger, konkret wurde es, als sie den Saxophonisten Martin Schedler kennenlernte. Er stellte eine Big Band zusammen, im Programm stehen Standards aus den dreißiger Jahren von My Funny Valentine bis Ain't Misbehavin'. Unterstützt wird Katja auch von zwei Tänzern: »Ich war schon als Kind ein Fan von Fred Astaire- und Ginger-Rogers-Filmen. Daran haben wir uns ein bißchen orientiert. Ich hoffe, es klappt. Wir haben die ganze Show selbst produziert, und das ist ja auch ein gewisses Risiko.«

Mit ihrer Show, die gerade im Chamäleon Premiere hatte, will Katja Brauneis künftig öfter auftreten — gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, daß alle Mitwirkenden noch andere Engagements haben: »Es macht uns eben Spaß. Deshalb müssen wir uns die Zeit nehmen.« Martin Schacht