INTERVIEW
: »Öffentlich-rechtliche Werbung abschaffen“

■ Die scheidende Berliner Kabelrätin Sophie Behr (SPD) über ihre Arbeit in dem Privatfunk-Kontrollgremium

Der Berliner Kabelrat wird demnächst durch einen siebenköpfigen Berlin-Brandenburger Medienrat ersetzt. Sophie Behr war als SPD-Mitglied eine von fünf KabelrätInnen.

taz: Mit welchen Vorstellungen sind Sie 1984 in den Kabelrat gegangen?

Sophie Behr: Damals wollte ich verhindern, daß das Kabelfernsehen den Markt überschwemmt, in die Familie, in die Haushalte hineinschwappt.

Die Flut der Glücksräder, Miniplaybacks, Traumhochzeiten und Heimatschnulzen haben Sie nicht aufhalten können. Haben Sie überhaupt irgend etwas bewirkt?

Das läßt sich nur in Spurenelementen festmachen. Vielleicht habe ich ein bißchen bewußtseinsverändernd auf die übrigen Kabelratsmitglieder eingewirkt, indem ich sie immer wieder auf die Gefahren hingewiesen habe. Und ich kann ohne zu übertreiben sagen, ohne mich wäre der Alternativsender Radio 100 niemals zugelassen worden.

Hat man jemals versucht, auf Sie Einfluß zu nehmen?

Wenn das jemand versucht haben sollte, dann habe ich es nicht bemerkt. Dann waren die Angebote so vorsichtig und subtil, daß sie mir entgangen sind. Er hat immer wieder Leute gegeben, die haben gesagt, sie würden sich gerne mal mit mir unterhalten, aber es ging nie so weit, daß mir Vorteile in Aussicht gestellt worden wären, wenn ich mich so oder so verhalte.

Sie sind SPD-Mitglied und auch auf SPD-Ticket in den Kabelrat gekommen. Welches Verhältnis haben Sie zur Partei und der Medienpolitik der SPD?

Ich hatte mir eigentlich mehr Kontakt zu meiner Partei erhofft. Vielleicht hatte die SPD aber auch Berührungsängste, weil ich von Anfang an gesagt habe, ich bin unabhängig, auch von der Partei. Trotzdem habe ich in einer Art Nibelungentreue das vertreten, was Parteirichtlinie war, also „Privatfunk zähneknirschend ja, aber bitte keine Printmedienverleger, keine Zeitungs- und Zewitschriftenverleger im Funk“. Ich habe mich von Anfang an ziemlich alleingelassen gefühlt.

Nun ist aber genau das eingetreten: Die Medienkonzerne haben sich auch in Berlin durchgesetzt...

Seit 1990 war die Arbeit in diesem Gremium zunehmend unangenehm, weil ich das Gefühl hatte, ich sitze in einem riesigen Medienmonopoly und werde nur noch von internationalen Medienkonzernen an der Nase herumgeführt. Denen geht es nur noch ums große Geld, mit Kommunikation hat dies nichts mehr zu tun.

Ihre Aufgabe war es, die privaten Anbieter zu kontrollieren. Haben Sie den Eindruck, daß dies überhaupt möglich ist?

Die einzelnen Landesmedienanstalten haben in den letzten Jahren in Sachen Medienpoker viel dazugelernt und sich mehr und mehr zu einer Art Antikartellbehörde entwickelt, trotzdem ist es nach wie vor so, daß sich die Konzerne mit ihrem riesigen Know-how und ihren Geldreserven einfach durchsetzen. Die Gesetzgebung hinkt immer hinterher. Jeder weiß doch, daß Herr Kirch mächtig ist auf dem Fernsehmarkt mit seinem schlauerweise angelegten großen Filmarchiv (Beteiligungen bei Sat.1 und Premiere). Aber dann kommt plötzlich der Sohn von Herrn Kirch und macht eine Fernsehstation auf (Pro7, Beteiligung am Kabelkanal), und dem ist rechtlich nicht beizukommen, es gibt ja — Gott sei Dank — keine Sippenhaft. Man kann nicht sagen, das ist eine Familie, also ein Konzern.

Sie haben als letzte Amtshandlung die Frequenz des erfolgreichen Radioprogramms RIAS2 einem privaten Anbieter, der Schiwy- Gruppe, zugesprochen. Um Wettbewerbsvorteile auszugleichen, haben Sie umfangreiche Auflagen erteilt. Können Sie die Einhaltung dieser Auflagen durchsetzen?

Was die redaktionellen Auflagen betrifft, da mache ich mir keine Illusionen, daß sie auf Dauer eingehalten werden. Das ist auch kaum zu überwachen, wie will man die Qualität eines Beitrages bewerten? Das hat uns der Fall Radio 100 gezeigt. [Der Alternativsender wurde 1991 in den Konkurs geführt. Mit dem später nicht eingelösten Versprechen, das Wortprogramm weitgehend beizubehalten, wurde Radio Energy vom französischen Medienkonzern Nouvelle Radio Jeunesse (NRJ) die Radio-100-Lizenz erteilt.] Das war für mich persönlich das Waterloo meiner ganzen Kabelratskarriere, weil ich es nicht für möglich gehalten habe, daß das Wortprogramm beim Nachfolgesender Radio Energy so total verändert wird. Aber Werbebeschränkungen, die lassen sich wohl überwachen.

Die Konzerne sind auf dem Vormarsch. Welche Zukunftschancen sehen Sie für die öffentlich-rechtlichen Sender?

Das war meine größte Enttäuschung in den siebeneinhalb Jahren Kabelrat: die galoppierende Kommerzialisierung der Öffentlich-Rechtlichen, bloß weil es ein paar Privatsender gab, die höhere Einschaltquoten haben. Es wird höchste Zeit, die Werbung in den Öffentlich-Rechtlichen abzuschaffen und ein Modell zu finden, das wirklich ein duales Rundfunksystem schafft — wo die einen werbefrei produzieren und die anderen mit Werbung ihr Geld verdienen.

Der Kabelrat soll durch den Medienrat Berlin- Brandenburg ersetzt werden. Der jetzige Vorsitzende des Kabelrates, Professor Ernst Benda, soll bereits Interesse daran signalisiert haben, auch zukünftig den Vorsitz zu übernehmen. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus? Bewerben Sie sich um einen Posten als Medienrätin?

Ich zitiere mal einen ehemaligen Regierenden Bürgermeister dieser Stadt, der da sagte, Politik muß Spaß machen. Ich gestehe, diese Amt macht mir keinen Spaß mehr, ich habe es zunehmend als Bürde empfunden und ziehe mich jetzt ganz aufs Land zurück. Interview: Ilona Marenbach