„Mein Kampf“ in Vaters Kellerbar

Zweiter Verhandlungstag im Prozeß um den Brandanschlag auf eine Asylunterkunft/ Mütter und Freunde der Angeklagten im Zeugenstand/ Die Skin-Clique fand Hoyerswerda nachahmenswert  ■ Aus Duisburg Bettina Markmeyer

Der zweite Tag im Prozeß gegen die Attentäter von Hünxe war der Tag der Mütter und der Freunde. Bis in die Formulierungen glich sich, was die Zeuginnen Christel C. und Hannelore W., die Mütter der Angeklagten André C. und Jens G., dem Gericht zu sagen hatten. Natürlich sahen sie Söhne und deren Freunde in Bomberjacken und Springerstiefeln herumziehen und merkten, daß sie „rechts“ eingestellt waren. Doch sie hätten „das nicht ernst genommen“. Zuhause sei über Politik, über die Haltung zu Ausländern oder Asylbewerbern nicht gesprochen worden, sagten die Mütter. Als sie „die Malereien“ ihres Sohnes gesehen habe, habe sie nur gedacht, dort „müsse dringend renoviert werden“, erklärte Hannelore W. Welche Bedeutung die Parolen wie „Rotfront verrecke“ und „Ausländer raus“ haben, will sie nicht gewußt haben, sie habe sich „nicht für Politik interessiert“.

Auch Christel C. hält ihren Haushalt für unpolitisch, obwohl ihr geschiedener Mann im „braunen Mantel“ und ordenbehängt jedes Jahr mit Gleichgesinnten in einer Kneipe „Führers Geburtstag“ feierte. Seine Nazi-Heiligtümer hatte der Mann in der Kellerbar aufbewahrt, wo André C. sie jederzeit angucken konnte. Von dort holte er sich ein Hakenkreuz als Schmuck, fand Zeitschriften und, so seine Mutter gestern: „Da war auch ein Buch.“ „Welches?“, fragte der Anwalt der Familie Saado, deren Töchter bei dem Brandanschlag lebensgefährliche Verbrennungen erlitten hatten. Die Antwort: „Mein Kampf“. Gegen die Skin- Freunde ihrer Söhne, sagten die Mütter, „kann man nichts sagen“. Sie seien „nie frech oder aufmüpfig gewesen“. Die Eltern des dritten Angeklagten, Volker L., verweigerten die Aussage. Ihr Junge hatte sein Zimmer mit SS-Runen geschmückt. Im Garten der Familie L. wurde mindestens zweimal am Lagerfeuer Hitlers Geburtstag gefeiert. Noch die Nachbarn konnten die nazistischen Lieder hören. Die ganze Familie ist inzwischen aus der SPD ausgetreten, weil der Hünxer Bürgermeister Reinhold Peters (SPD) die drei Attentäter „fanatische Verbrecher“ genannt hat. Doch Volkers Großvater ist weiter im Vorstand der Arbeiter- Wohlfahrt Hünxe, also ein angesehener Mann, und er legt sich mit dem „Runden Tisch für Flüchtlinge“ an, der sich nach dem Anschlag gebildet hat.

Die FreundInnen der Angeklagten aus der Skin-Szene, die vor dem Brandanschlag mit Volker, Jens und André auf einer Fete zum Tag der deutschen Einheit waren, äußerten sich widersprüchlich zu der Frage, ob bereits auf dem Fest über den Anschlag gesprochen worden sei. Sicher ist, daß über Ausländer geredet wurde, „eine ganz allgemeine Diskussion“, wie ein Zeuge sagte. Möglicherweise war den anderen Fetenbesuchern klar, daß André, Volker und Jens „noch etwas vorhatten“. Bei der Polizei hatte der Gastgeber ausgesagt, „am Abend vorher habe man noch darüber geredet — jetzt sei es passiert“. Von dieser Äußerung wollte der Zeuge vor Gericht nichts mehr wissen. Auch aus Jens G.s richterlicher Vernehmung, die der Vorsitzende Richter der Duisburger Jugendstrafkammer gestern verlesen ließ, geht aber hervor, daß alle Jugendlichen der Skin-Clique „Hoyerswerda gut fanden und auch mal so was machen wollten“.