Kauf der Hemelinger Marsch war rechtswidrig

■ Gutachter des Umweltsenators empfehlen dringend die Rücknahme des Grundstücksgeschäftes

Trumpfkarte oder fauler Zauber? Seit ein paar Wochen hat Umweltsenator Ralf Fücks ein Gutachten im Schrank, das die Diskussion um die Zukunft der Hemelinger Marsch neu beleben könnte. Im Auftrag von Fücks haben zwei Juristen festgestellt, daß der überstürzte Ankauf der Hemelinger Marsch kurz vor der Bürgerschaftswahl rechtswidrig war — und das gleich aus mehreren Gründen.

Im August 1991 hatte die landeseigene HIBEG auf einen Schlag alle Grundstücke in der Hemelinger Marsch gekauft, die für ein späteres Gerwerbegebiet notwendig wären. Gebilligt worden war der Kauf gegen den heftigen Widerstand der Grünen von den Bürgschaftsausschüssen der Bürgerschaft und auch vom Senat. Im Senat hatte einzig die damalige Umweltsenatorin Eva- Maria Lemke-Schulte gegen den Kauf gestimmt. Eines ihrer wesentlichen Argumente damals: Der Kauf erfolge zu weit überteuerten Preisen. Das für Grundstückspreise zuständige Katasteramt hatte Qaudratmeterpreise von 6-12 Mark für realistisch gehalten. Der Ankauf aber erfolgte für 25 Mark.

Aus diesem hohen Preis folgern nun die Gutachter eine Vorentscheidung, die Hemelinger Marsch zum Gewerbegebiet zu machen. Dies aber hätte nach Auffassung der Juristen nicht fallen dürfen. Denn die für Flächenplanung zuständige Stadtbürgerschaft hat über die Frage eines Gewerbegebiets bis heute gar nicht entschieden. In einem Bürgerschaftsbeschluß von Dezember 1990 ist lediglich davon die Rede, die Hemelinger Marsch zur „Planungsreife“ zu bringen. Wörtlich heißt es in dem Beschluß: „Ein endgültiger Planungsbeschluß kann erst nach Vorlage des Rahmenplans erfolgen.“

An diesem Rahmenplan aber arbeiten die zuständigen Behörden heute immer noch. Nach Auffasung der Gutachter hätten die Bürgschaftsausschüsse deshalb den Ankauf der Flächen durch die HIBEG nicht genehmigen dürfen. Im Juristendeutsch heißt das: „Die faktische Vorentscheidung durch den Grundstückserwerb erfüllt keine der Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht für die Rechtmäßigkeit einer solchen planungsrechtlichen Vorentscheidung aufstellt.“

In seiner gestrigen Sitzung hat der Senat das Gutachten kurz zur Kenntnis genommen und den Justizsenator mit einer rechtlichen Prüfung beauftragt. Sollte diese Prüfung die Rechtsmeinung der Gutachter bestätigen, käme der Senat um eine Auflösung der Kaufverträge kaum herum. Denn sonst hätten, so die Gutachter, alle HemelingerInnen beste Chancen, die Verträge durch Klage vor dem Verwaltungsgericht zu Fall zu bringen. Juristisch wäre es auch kein großes Problem, aus den Verträgen auszusteigen, da die HIBEG mit den Landwirten ein „unbegründetes Rücktrittsrecht“ bis Mitte dieses Jahres vereinbart hat.

Noch im Mai steht dem Senat möglicherweise weiterer Ärger in Sachen Marsch ins Rathaus. Denn auch der Rechnungshof arbeitet derzeit an einer abschließenden Stellungnahme zum Ankauf. Die Rechnungsprüfer untersuchen, ob der Kauf wirtschaftlich vertretbar und haushaltsrechtlich korrekt abgewickelt worden ist. In einer ersten Stellungnahme hatten die Prüfer heftige Bedenken gegen das Grundstücksgeschäft formuliert.

Für die Frage, ob die Hemelinger Marsch nun Gewerbegebiet wird oder nicht, ist die juristische Auseinandersetzung nur zweitrangig. Denn selbst wenn der Senat den Bedenken folgt und die Grundstückskäufe noch rückgängig machen muß, könnte das Gelände im zweiten Anlauf juristisch einwandfrei aufgekauft werden. Spareffekt dabei: Rund 12 Millionen Mark. Doch dafür wäre zunächst die politische Entscheidung über die Zukunft des Geländes erforderlich. Und die ist in diesem Jahr kaum noch zu erwarten, da die vorbereitenden Untersuchungen noch geraume Zeit in Anspruch nehmen werden. hbk