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Kurzurlaub im Center Parc: Wasser, Wärme, exotisches Naturerlebnis und Spaß am Shopping, wetterunabhängig und zwanzig Minuten von der Autobahn

VONEDITHKRESTA

Die Fahrt durchs platte belgische Land weckt kaum Urlaubsträume. Langweilige Landschaft, triste Dörfer, belebt nur von weidenden Kühen, und obendrein Nieselregen. Das Auto ist hier absolute Notwendigkeit. Ankunft am Traumziel Center Parc im belgischen Erperheide: Schlange stehen vor der Rezeption. Zähflüssig quälen sich Blechlawinen durch enge Parkwege, die nur zum Aus- und Einladen befahrbar sind. Der schlichte, funktionale Bungalow mit Schlafraum, Kochnische, Bad und einer um den Farbfernseher gruppierten Couchecke liegt idyllisch am Kanal. Vom Küchenfenster und der kleinen Terrasse am Wasser aus sieht der Kurzbewohner rote Plastiktretboote vorbeigleiten. Gruppen Jugendlicher oder Kleinfamilien strampeln damit durch die künstlichen Kanäle des Center Parcs: eine nett arrangierte Parklandschaft mit viel Grün, Wasser und Bäumen — ganz wie zu Hause in einem Bilderbuch von Holland oder Belgien.

Selbst das Arrangement der unzähligen Bungalows — alle mit Vorgarten und einem Hauch von Privatsphäre — erinnert an heimische Vorstadtidylle. Eine architektonische Leistung, denn immerhin machen sich in Erperheide auf 75 Hektar Land das ganze Jahr über 3.000 Menschen einige Tage lang den Raum für Ruhe und Erholung streitig. Daß sie dies finden, steht außer Zweifel: 74 Prozent der Kurzurlauber kehren wieder. Erperheide — wie alle anderen zwölf Niederlassungen der Firma Center Parcs in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Großbritannien — ist das ganze Jahr über zu 95 Prozent ausgebucht. Im Dreiländereck Deutschland, Niederlande, Belgien in der Nähe des holländischen Eindhoven gelegen, ist es sowohl von Antwerpen und Brüssel als auch vom Ruhrgebiet aus leicht zu erreichen. Damit wird das wichtigste ökonomische Kriterium der Firma erfüllt: Mindestens zwei Millionen Menschen dürfen nicht weiter als zwei Autostunden vom Park entfernt wohnen.

„Die einzigartigen Kurzferien“, wie es der Prospekt verspricht, bucht der Urlaubsreife für drei Tage übers Wochenende oder preisgünstigere vier Tage unter der Woche. Drei Tage kosten für zwei Personen etwa 450 Mark. Dafür gibt's ein Appartement und freien Eintritt zum Dschungelbad. Aber vor allem Urlaub wie zu Hause, zu garantiert unechten Traumbedingungen der Karibik.

Die Tropen unter Glas und vor der Haustür

Die unverwechselbare Sensation und zündende Idee der künstlichen Urlaubswelt von Center Parcs ist das riesige, glasüberdachte Zentrum. In diesem wetterunabhängigen Parc Plaza kann man flanieren, einkaufen, ausgehen, baden. Dort tobt das öffentliche Leben. Geschützt gegen Unberechenbarkeiten der Natur, bei 25 Grad sommers wie winters, herrscht hier 365 Tage lang ein Leben wie auf der Strandpromenade von Rimini zur Hochsaison.

Den Vorwurf der Energieverschwendung relativiert der Marketingverantwortliche von Erperheide, Jan Peeters, getreu der Firmenideologie. Immerhin sei der Energieverbrauch hier 30 Prozent geringer als in einem 3.000-Seelen-Dorf. Mit alternativen Energien habe man bislang zwar keine Erfahrung, aber die ganze Ausrichtung von Center Parcs sei ohnehin der Ökologie geschuldet. In der Tat fordern Merkblätter in den Zimmern zum Energiesparen auf. Hauseigene Einkaufstaschen sollen die Plastiktütenflut eindämmen. Die Lichter der Anlagen gehen automatisch aus. Jeder Kontrakt der Firma mit Gemeinden schützt bei Strafe die Bäume des Baugeländes. Für die Pflege der tropischen Pflanzen werden nur chemiefreie Düngemittel verwandt. Beim neuesten Projekt von Center Parcs — die Umwandlung eines 250 Hektar großen Kohlereviers in der Nähe des belgischen Maasmechelen zu einem Freizeitpark — sollen 1,2 Millionen Bäume neu gepflanzt werden. An solch ökologischer Großtat beteiligt sich die belgische Regierung mit 15 Millionen Mark. Das Projekt soll bis 1994 fertiggestellt werden.

„Soft nature“ — ökologischer Ablaß eines Freizeitkonzerns, der mit Natur aus der Konserve wirbt und für den Ökologie vor allem Ökonomie bedeutet. So läßt es sich im kühlen Europa ungestraft unter Palmen wandeln.

Unter der Glaskuppel, dem Treibhaus für Urlaubsreife, bieten firmeneigene Läden, was man zum Urlaub so braucht: modische Fummel, Badesachen, Sportschuhe oder Tennisschläger, Schmuck und rosafarbene Keramiksouvenirs, niedliche Lollies für die Kleinen und Lebensmittel für die Selbstversorger. Die Sonnencremes stehen im Supermarkt direkt an der Kasse. Von der Bäckerei bis zur Pizzeria, von der Boutique bis zur Tanzkapelle — alles gehört dem Konzern. Center Parcs ist autark.

Mitten im Zentrum der Glaskuppel ein französisches Bistro — vielbesuchte Flaniernische. Gegenüber plätschert ein Wasserfall, blühen Orchideen, Flamingos und Kraniche waten durch das Wasser. Von Palmenwipfeln kreischt ein knallbunter Kakadu. Die Fototapete lebt.

Der Sinne Lust: Das Dschungelbad

Hauptattraktion dieser Welt unter Glas ist das subtropische Schwimmbad. Bei 29 Grad Schwüle tummeln sich die Massen. Bis zu 1.300 Menschen können sich im Bad verlustieren. Damit ist nicht einmal die Hälfte der Besucher, die alle freien Eintritt haben, untergebracht. Bislang spiele sich die Kontingentierung von selbst ein, versichert Marketingmanager Peters zuversichtlich.

Tarzanfeeling: dichter Dschungel, Bananenstauden, echte Lianen, Grotten, stille Lagunen, unwegsame Dschungelbäche. Hier und dort lugt ein vollkommen harmloser Löwe oder Gepard aus den Büschen hervor. Gewimmel in den verschlungenen Bassins. Schwimmen ist allenfalls ein oder zwei Züge möglich. Der Raum ist — wie überall im Center Parc — voll durchrationalisiert.

Mit einem langgezogenen „Woowwwhhh“ wirft sich der weißhäutige beleibte Mittvierziger hoch oben in die Riesenrutsche, nicht die schöne Jane, sondern seine drei Sprößlinge im Schlepptau. Schon Kleinkinder dürfen in den Armen gutgepolsterter Väter mit zur Rutschpartie auf der Wildwasserbahn. Schlangen vor den Erlebnisrutschen. Alle Altersgruppen lassen sich, lustvoll kreischend, mit den reißenden Wassern stromabwärts treiben. Hochstimmung wie auf dem Jahrmarkt: Schreie, Lachen, Rufe. Stöße in Magen, Rücken oder ans Bein beim Stau auf der Rutsche.

Kinder kreischen schrill im Wellenbad. Auf den von Wasserbächen umgebenen Sandbänken spielen die Kleinsten mit Förmchen und Eimerchen. Rauschende Wasserbäche fließen aus Grotten. In einer steinzeitlich-bemalten Höhle, ganz in warmen Erdfarben gehalten, wird der ohrenbetäubende Lärm etwas gedämpft. Mehrheitlich Frauen und Mädchen liegen dort Seite an Seite unter künstlichen Sonnen. Brust an Brust kann der gestreßte Badende im heißen Whirlpool, zu dem ein schmaler Gang nach draußen führt, etwas aufatmen.

Zwischenmahlzeit an der karibischen Bar mit echt belgischen Pommes frites. Auf weißen Plastikstühlen unter üppigen Palmen werden sie überall im Bad verzehrt. Wem belgische Pommes zu gewöhnlich sind, der kann auch stilvoll Hawaii-Toast wählen, dazu einen knalligen Exotik- Cocktail. Wie beim Zahnarzt muß mit gezogener Nummer auf die Bestellung gewartet werden. Das Personal ist zu Stoßzeiten völlig überlastet. Schlange stehen gehört zum Urlaubsfeeling.

Leute, die sich um Leute kümmern

Durchkalkuliert wie der beengte Raum ist bei Center Parcs auch das Personal. Belgische Belegschaft ist nun mal teurer als karibische Arbeitslose. Rund 7.000 Leute beschäftigt die Firma Center Parcs, die ihren Sitz im Zentrum von Rotterdam hat. 70 Prozent davon sind Teilzeitbeschäftigte, 85 Prozent Frauen. Ein Großteil der Frauen — viele für Putzarbeiten bei der Abreise zuständig — kommen aus den jeweils umliegenden Dörfern der Freizeitanlagen. „Auch die Teilzeitbeschäftigten haben Sozialversicherung“, betont Direktor Philipsen.

Vom Architekten bis zur Kellnerin, jeder Angestellte von Center Parcs muß an der firmeninternen Schulung teilnehmen. Dabei geht es nicht nur um das gekonnte Öffnen einer Sektflasche, sondern auch um die Idee. „Wir sprechen nicht von Kunden, sondern von Gästen“, umreißt Philipsen die Firmenideologie. „Wir sind Leute, die sich um Leute kümmern.“ Schulung in Gastfreundlichkeit, um firm zu sein gegen die Abnutzungserscheinungen des Massengeschäfts.

Gleichwohl ist dies Realität: Ob Nummern für den Brötchenkauf, das prompte Abkassieren im Bistro oder langes Warten — der Flair echter Gastfreundschaft weht nicht durch die Kuppel des Glaspalastes. Das stressige Management der Masse läßt sich trotz freundlichem Personal nicht verleugnen.

Die Zeit lustvoll totschlagen

Wem es im Erlebnisbad zu voll ist oder wer sich neben rutschen und plätschern, gestoßen und bespritzt werden, aktiv sportlich betätigen will, dem liegt die Freizeitwelt zu Füßen: Tennis, Badminton, Squash, Bogenschießen, Fußballplatz, Fitneßstudio, Sauna, Minigolf, Automatenspielhölle, Fahrrad- und Bootsverleih. Keine Zeit für Langeweile. Auch die Kinder sind voll ins Freizeitgetriebe integriert: Kindergarten, Spielplätze, Spielnischen in den Restaurants und ein kleiner Zoo. Die Kunden, pardon Gäste, der Zukunft werden gepflegt und umhegt. Sie fühlen sich wohl. Am Angebot wird gefeilt. Sonderveranstaltungen wie Zirkus-Weekend oder Kinder-Festival machen die Parks vor allem zur Kinderattraktion.

Die Menge, so kalkulieren die Marktstrategen von Center Parcs, will im vorgesetzten Erlebnis baden: Wasser, Wärme, Müßiggang — Surrogate des Tourismus, angereichert mit vielfältigen Sport- und Beschäftigungsmöglichkeiten. Dazu noch Kinderfreundlichkeit als unschlagbares Marktsegment in einer kinderfeindlichen Umwelt. Und all das vor der unwirtlichen Haustür. Natürlich werden dadurch die Probleme des Massentourismus nicht dort ausgetragen, wo sie herkommen, wie viele kritische Befürworter des Konzepts mit ihrer „Rein ins Ghetto“-Strategie behaupten. „Der einzigartige Kurzurlaub“ ist ein zusätzliches Marktsegment, das den Tourismus gen Süden nicht begrenzt, sondern lediglich dessen Wesen kopiert. Zeit zu haben war in der Industriegesellschaft schon immer ein schwer zu legitimierendes soziales Prestige. Freizeitzentren helfen, sie lustvoll totzuschlagen. Die Freiheit der Muße gibt man bei Center Parcs an der Rezeption ab. Mit dem Parkmagazin unterm Arm werden die Urlaubstage in klare Bahnen gelenkt.

Sauber, keimfrei, wohlanständig

Am Abend ist dann ganz urlaubsmäßig der Bummel durchs Parc Plaza angesagt. Auch hier sind Kinder die fröhlichsten Nachtschwärmer und Fans der Vier-Mann-Band. Nur ab und zu wagt ein Paar einen flotten Foxtrott unter der hüpfenden Kinderschar. Obwohl die Band mit ihrem Repertoire von Il silencio über Vater Rhein bis Reggae Sunplash eigentlich für jede hier vertretene Altersgruppe etwas parat hat. Abends werden die tagsüber dominierenden türkis-lila-blauen Jogginganzüge gegen Ausgehgarderobe getauscht, die Frisur frisch gefönt. Kleinfamilien, Gruppen junger Paare, Familien mit den Großeltern im Schlepptau oder unternehmungslustige Männergruppen speisen in der Pizzeria la Gondola, im Plaza Restaurant oder im Steakhouse. Auch die Disco fehlt nicht. „Sie ist im Urlaubspaket der Center Parcs nicht ganz unumstritten“, meint Direktor Philipsen. Sie passe nicht zu den Firmenprinzipien: Ruhe, Sport und Entspannung.

In der Tat ist Nachtleben völlig überflüssig in dieser ordentlichen Welt. Sauber, keimfrei, wohlanständig darf sich sinnliches Erleben in gelenkten Bahnen — beispielsweise auf der Riesenrutsche — hemmungslos entfalten. Besinnungsloser Ausverkauf der Sinne: sportlich, gesund und am Tag.

Ein Freizeitgigant beglückt Europa

Am Abend genügt dann ein Bier oder ein Scotch McEwans bei sanfter Musik im Bistro. Mister McEwans, Besitzer der schottischen „Newcastle Brewery“, ist Magnat der Center Parcs. 1989 kaufte er das Erfolgskonzept des niederländischen Sportartikelhändlers Piet Derksen auf, der 1968 die ersten Kunstwelten kreierte. Die belgische Zentrale von Center Parcs betont, daß auch nach dem Verkauf Selbständigkeit und Idee der Parks erhalten blieb. Die Firma ist darauf bedacht, ihre Mittelklasse-Zentren gegen die eher proletarischen Potins-Ferienparks in Großbritannien — auch im Besitz McEwans' — abzugrenzen.

Von Schottland aus beglückt der kapitalkräftige Freizeitgigant McEwans halb Europa. Gemeinden reißen sich nach Aussage von Direktor Petersen um Center Parcs Standorte. Projekte in Deutschland sind geplant. Über den Stand der Verhandlungen, die bis jetzt am Widerstand von Umweltschützern scheiterten, hält sich die Firma bedeckt. Ein 80-Millionen-Volk, von dem ein Teil bislang die exotischen Segnungen des Tourismus nur aus dem Fernsehen kannte, scheint geradezu prädestiniert für Urlaub aus der Konserve Center Parcs: das schnelle, nahe, vorgekaute Ferienglück.

Das dauert allerdings nur ein Weilchen. Kolonnen von Autos zwängen sich nach drei Tagen entfesselten Urlaubsdrangs zum Einladen durch die schmalen Parkwege. Der Urlaub ist vorbei. Um zehn muß das Idyll verlassen werden. Putzfrauen aus der Gegend nehmen ihre Arbeit auf, die Mülltonnen am Weg quellen über. Viel zu tun, um das Terrain für die Neuankömmlinge zu säubern. Nachmittags ab drei darf die nächste „Bleichlawine“ mit 3.000 neuen Urlaubsreifen zum Ausladen einfahren. Zeit, Raum, Natur und Personal voll genutzt. Die künstlichen Ferienwelten, Naturdesign unter Glas, sind die gewinnversprechende Konsequenz einer zersiedelten, zerstörten Umwelt. Im Treibhaus gedeihen aber nicht nur die Palmen, sondern vor allem die Urlaubsträume: fad wie holländische Tomaten.

Information und Buchung für alle Niederlassungen in Europa:

Center Parcs, Konrad-Adenauer- Ufer 79-81, 5000 Köln 1. Tel.: 0221-97303030 oder in jedem DER- TOUR Reisebüro sowie allen Reisebüros mit NUR Touristikvertretung.