20.000 RADikale in Berlin

■ Straßenfeste, Fahrradkorso und Menschenkette legten Autoverkehr lahm

Berlin (taz) — Als „vollen Erfolg“ bewerteten SprecherInnen von Bürgerinitiativen die Berliner Aktion „Lebens(t)raum Straße“. Nach der Schätzung verschiedener Radkuriere hatten sich insgesamt rund 20.000 RadlerInnen und FußgängerInnen an einer Menschenkette am Sonntag abend auf dem derzeit noch nicht ganz ausgebauten Innenstadtring beteiligt, zu der rund 50 Anwohner- und Verkehrsinitiativen wie zum Beispiel „die RADikalen“ aufgerufen hatten. Zwar wies die Menschenkette als Protest gegen die Schließung des Rings und für eine autofreie Innenstadt einige Lücken in unbewohnten Gebieten auf. An anderen Stellen aber standen die Leute doppelreihig. Auch viele ältere Menschen waren extra zur Menschenkette gekommen, einige schwärmten gar, dies sei ein ganz besonderes Erlebnis in ihrem Leben gewesen. Allein auf der Oberbaumbrücke zwischen Ost- und West-Berlin, die der Verkehrssenator für Autos freigeben will, feierten 4.000 bis 5.000 Leute mit Punkmusik den „autofreien Sonntag“.

Denn die Protestaktion, die schon am Nachmittag mit elf Straßenfesten und einem Fahrradkorso begann, sorgte dafür, daß der Autoverkehr weiträumig zusammenbrach. Weil nichts mehr ging, machten viele FahrerInnen den Motor aus, köpften eine Pulle Bier und setzten sich auf ihre Motorhaube. Andere aber drehten im Stau völlig durch. „Geht doch nach Rußland, da könnt ihr Fahrrad fahren!“, schrie einer. Ein Saab-Fahrer versuchte ein Rad zu überfahren, ihm wurde die Windschutzscheibe eingeschlagen. Ein wie ein Zuhälter aussehender Mann gab Gas, ein Radler konnte sich nur in allerletzer Sekunde retten. Ein dritter Mann — die Durchdreher waren durchgängig männlich— überfuhr gleich mehrere Räder. Mit schuld an der chaotischen Situation war die Polizei, die mangels ausreichender Präsenz den Verkehr nur an wenigen Stellen weiträumig umleiten konnte und immer wieder Kreuzungen und Straßenabschnitte für Autos freigab. Und als Feiernde in Friedrichshain am Abend nach offiziellem Aktionsende nicht gleich die Straße freigeben wollten, setzte sie Tränengas ein. Das trübte die Stimmung ein, die sonst phantastisch gut war. Besonders in der sonst so stinkigen, am Sonntag aber autofreien Entlastungsstraße durch den Tiergarten freuten sich die RadlerInnen: „Ah, welch herrliche Luft!“ usche