»Guten Morgen, Herr Neger«

■ Rik Mavericks Comedy Show »It's not what you look like« im Ratibor-Theater

Wie schön war es doch 1984«, seufzt der schwarze Mann im Tuntenfummel, um unterm Bühnenspot seine Ankunft in Berlin Revue passieren zu lassen. »I lived in a very small Einzimmerwohnung with a Kachelofen I didn't know how to use.« In leicht verständlichem Englisch erklärt der Kalifornier seinen Kulturschock beim Einzug in seine erste Kreuzberger Hinterhofklause. »All americans were sitting in CaféM at this time and were schwermütig.«

Rik Mavericks nostalgischer Solo-Trip durch die Subkulturen der achtziger Jahre zeigt — womöglich autobiographisch — Stationen des Bohemiens auf der Suche nach Erfüllung. Ein gutes Dutzend Posen und Figuren — »Damals, als ich noch ein Homosexueller in San Francisco war und Marlene Dietrich sah« — werden gesucht und Entsprechendes aus dem Fundus hervorgekramt, um den Protagonisten jederzeit möglichst »fresh« wirken zu lassen.

Zwischen seinen Auftritten als HipHop-Brother und Hamlet verbreitet sich Maverick — Hula-tanzend und im Baströckchen — dem bleichgesichtigen Publikum über das Selbstverständnis der schwarzen Rasse.

Als Doktor mimt er die Unterwerfungsgesten einer Hausfrau aus Suburbia, um dem weiblichen Publikum im Halbrund des Off-Theaters zur metzgernden Selbsthilfe zu raten: »Just cut it off and send it here. All man are pigs.«

Riks Bühnenpräsenz läßt aus Trivialitäten Kleinodien der Comedy werden, auch wenn der Protagonist von Irrweg zu Irrweg zu eilen scheint. »Bin ich schon erleuchtet?« fragt er als Queen Latifah hinüber zum DJ. »Ich glaube nicht.« Tanz, Gesang, Deklamation, Travestie und Referat — ein ganzes Bündel an Ausdrucksformen ist Maverick recht, um seine eigene Besinnlichkeit ironisch in Stücke zu brechen. Unterstützt wird der souveräne Entertainer, der bei den besseren Inszenierungen der Berlin Play Actors Regie führt, durch Tanzmusikschnipsel, die ein Discjockey am Bühnenrand einspielt. Dreißig Jahre nach Dean Martin präsentiert Maverick eine Einmannschau tagesaktuell zu Techno- und volkstümlicher Musik aus Nordafrika.

Nur DJ Motte schien am Nachpremierenabend nicht recht von der eigenen Wirkung überzeugt zu sein. Abwechselnd Vinylscheiben und den eigenen Kopf kratzend, schien er sich für die trockenen Kalauer entschuldigen zu wollen, die er während der Umkleidepausen zum besten gab.

Das anderthalbstündige Wechselbad zwischen Ironie, plattem Witz und Tragik trieb Maverick schließlich auf die Spitze, indem er die Distanz zum Publikum vollständig aufzugeben schien und begann, Geschichten aus dem Alltag zu erzählen.

»Eines Tages, als ich mit der U- Bahn fuhr, lächelte mich eine small Oma an, und ich fühlte mich warm und geborgen. Ich lächelte sie an, und die alte Frau sagte: ,Guten Morgen, Herr Neger!‘ Ob das freundlich gemeint war?« Ob das ironisch gemeint war? Dieses eine Mal war das Publikum schnell genug, um Rik Mavericks Zweideutigkeit zu bemerken. Meist war der Mann auf der Bühne schon auf und davon, ehe die Zuschauer dem Künstler das Feedback gaben, das aus einer Vorstellung eine Comedy Show werden läßt. Stefan Gerhard

It's not what you look like von und mit Rik Maverick und verschiedenen DJs läuft bis Anfang Juni jeweils Do. bis So. um 20Uhr im Ratibor-Theater in Kreuzberg, Cuvrystraße20, HH.