INTERVIEW
: Kein Stachel für normalen Lehrbetrieb

■ Peter Grottian (Otto-Suhr-Institut), der die Projekttutorien beaufsichtigte, trat zurück/ »Hoffnung überzogen«, dem öden Lehrbetrieb etwas entgegenzusetzen

Zweieinhalb Jahre leitete Prof. Peter Grottian vom Otto- Suhr-Institut die Kommission, die die Projekttutorien an der FU beaufsichtigte. Am Montag trat er zurück.

taz: Ist mit dem Rücktritt für Sie das Unternehmen Projekttutorien praktisch gescheitert? Haben Sie die Schnauze voll?

Grottian: Nein, das Projekttutorien-Programm lebt sehr kräftig. Ich habe mich zweieinhalb Jahre engagiert. Jetzt sollte die Arbeit mal von anderen übernommen werden.

Angefangen hat ja alles nach dem Streik. Welche Hoffnungen hatten Sie damals mit den Projekttutorien verbunden?

Damals wie heute verbinde ich damit die Hoffnung, daß außerhalb des normalen Lehrbetriebs Studentinnen und Studenten ganz unterschiedliche thematische lehr- und lernbezogene Neuerungen experimentierend versuchen und sich daraus entwickeln, daß die Projekttutorien ein Stachel sein sollen gegen den zum Teil öden, leer laufenden und langweiligen Lehrbetrieb. Die Hoffnungen waren sicher überzogen, in welchem Ausmaß Studentinnen und Studenten diese Projekttutorien annehmen und sie als eigene Lehr- und Lernformen begreifen würden. Es ist heute so, daß lediglich ein relativ kleiner Kreis davon angezogen wird, aber die haben auch sehr respektable, vorwärtstreibende Ergebnisse erreicht.

Die Faszination für die Studentenschaft ist weitgehend ausgeblieben. Es gibt ja nach wie vor noch autonome Projekte, die mit diesem offiziellen Projekttutorien-Programm nichts zu tun haben wollen. Wenn man sich das Inhaltsverzeichnis dieser autonomen Projekttutorien anguckt, dann schaudert's mich einigermaßen. An interessanten, inhaltlich ausgewiesenen und spannenden Projekten ist da nicht viel zu sehen, so daß die etwas merkwürdige Situation da ist, daß das institutionelle Projekttutorien-Programm offenkundig an Kreativität und Kraft und Dynamik ungleich stärker ist.

Aber ein Mittel, um gegen die Misere in der Uni- Lehre vorzugehen, sind die Projekttutorien nicht geworden...

Doch, aber sie sind in ihren Möglichkeiten auf einen interessierten Studentenkreis beschränkt, und sie haben insofern kaum die Möglichkeit, auf den normalen Lehrbetrieb als Stachel und als Renovator einzuwirken. Die Kurzatmigkeit des Streiks damals hat mehr oder minder dazu geführt, daß die Studentinnen und Studenten das Instrument Projekttutorien auch nicht mit jenem politischen Druck weiterverfolgt haben, wie es notwendig gewesen wäre.

Insofern haben sich die Studentinnen und Studenten in den Projekttutorien pragmatisch arrangiert. Sie nutzen das Programm für ihre Zielvorstellungen und können auch relativ autonom arbeiten, und gleichzeitig ist der politische Druck, über die Projekttutorien und andere inhaltliche Vorstellungen die Universität zu verändern, mehr oder weniger erlahmt. Das Projekttutorien-Programm ist doch ein Programm für sehr interessierte Studentinnen und Studenten, die es auch sehr gut nutzen. Aber es führt nicht zu einer grundsätzlicheren Auseinandersetzung über die Qualität der Lehre und andere Lehr- und Lernformen. Interview: Winfried Sträter