piwik no script img

„Die Sache mit dem Geld ist obszön“

■ Multimillionär Bill Koch führt beim America's Cup mit 2:1 gegen die italienische „Il Moro di Venezia“ und droht seinen undankbaren Landsleuten, gegebenenfalls den Cup 1995 nicht mehr zu verteidigen

San Diego (dpa) — Bill Koch, ungeliebter Skipper der America3, schlägt zurück. Alles hat er versucht, um die Gunst seiner Landsleute zu erheischen: Patriotische Reden, Erfolg, Geld, nichts wollte den Multimillionar sympathisch machen. Die US-Amerikaner konnten ihm einfach nicht verzeihen, daß er ihren Helden, den relativ mittellosen Titelverteidiger Dennis Conner aus dem Rennen geworfen hatte.

Um Koch zu kränken, hatte ein Unbekannter gar die Alarmanlagen an Bill Kochs Grundstück in Pont Loma überlistet und im Garten einen Büstenhalter an „Roseanne“, die Statue einer großen, nackten Frau gehängt. „Paul Cayard, ti amo“ stand darauf - „Paul Cayard, ich liebe Dich“. Cayard ist Skipper der italienischen Yacht „Il Moro di Venezia“, die gegen die amerikanischen Titelverteidiger um den America's Cup segelt. Der freche Streich paßt ins Bild. Denn während im Lager der selbstbewußten Herausforderer euphorische Stimmung herrscht, mußte der unbeliebte Koch durch die Demütigung in Form von Damenunterwäsche eine weitere moralische Niederlage einstecken.

„Wer zuletzt lacht, lacht am besten“, versuchte sich der Milliardär aus Kansas trotzig bei Laune zu halten. „Ziel meiner Kampagne war und ist die erfolgreiche Cup-Verteidigung, und das werden wir auch schaffen.“ Dieses exquisite Hobby hat sich der Unternehmer ebenso wie Raul Gardini, der Chef des italienischen Syndikats, zu dem sich mehrere Sponsorenfirmen zusammenschließen, immerhin 65 Millionen Dollar kosten lassen.

Zuviel, wie er jetzt meint. Denn nachdem die „America3“ nach einem schlauen Rennen mit 2:1 in Führung gegangen ist und nun beste Aussichten auf den Cup-Gewinn hat, rächt sich Koch überraschend an seinen undankbaren Landsleuten. Der Milliardär aus Kansas erklärte, im Siegesfalle den Cup 1995 nicht verteidigen zu wollen, wenn finanziell ein ähnlicher Kraftakt wie in diesem Jahr notwendig sei. „Die Sache mit dem Geld ist obszön. Es könnte so viel besser verwendet werden“, so Koch, „wenn ich gewußt hätte, was das alles kostet, hätte ich es nicht getan.“ Er würde es auch nie wieder tun. Es sei denn, die Kosten lägen 1995 zwischen zehn und 15 Millionen Dollar.

Daß er der Titelverteidiger sein wird, rückt in der Tat immer näher. Nach dem überlegenen Sieg am Dienstag in der dritten Regatta vor San Diego mit 1:58 Minuten Vorsprung vor Italiens „Il Moro di Venezia“ fehlen ihm nur noch zwei Siege. „Wir schaffen es, auch wenn es hart wird“, sagte Bill Koch, der sich wieder einmal mehr als die Hälfte des Rennens als Skipper betätigte, „wir haben eine konservative Taktik gewählt und damit Erfolg gehabt.“

Das Rennen wurde erneut schon in der Phase unmittelbar vor dem Start entschieden. Durch ein geschicktes Manöver sicherte sich die „America3“ die bessere Position im zehn Knoten starken Wind und eine frühe Führung von sieben Bootslängen. 47 Sekunden waren es an der ersten Streckenboje. Die Herausforderer konnten der schnelleren US- Yacht nur hilflos hinterher schauen und auf eine plötzliche Winddrehung zu ihren Gunsten hoffen. Selbst „Il Moro“-Skipper Paul Cayard, als aggressiver Segler bekannt und gefürchtet, resignierte.

Dabei hätten die Italiener echte Chancen gehabt, denn am Dienstag nahm Bill Koch von der dritten Boje an Skipper Buddy Melges wieder das Steuer aus der Hand. Der schwerreiche Unternehmer war in den vergangenen Wochen oft hart für seine mangelhaften seglerischen Qualitäten kritisiert worden. Kein Wunder, schließlich hat der 49jährige erst vor acht Jahren ernsthaft mit dem Sport begonnen. „Ich bin gut genug, um auf dem Pott zu sein.“ sagte Koch, “Ich bin zwar nicht der Beste, aber ich will auf der Yacht sein. Ich will zur Crew gehören.“ Wer will es ihm verwehren. Schließlich bezahlt er dafür.

„Ich bin ein Außenseiter in seiner Heimatstadt, das verstehe ich“, sagte Koch, „aber die Menschen müssen verstehen, daß es hier um einen Erfolg unseres Landes gegen Europa geht.“ Erstmals seit 1964 kann eine europäische Yacht mit einem gebürtigen Amerikaner als Skipper die USA herausfordern. Doch allzu viele Menschen scheint dies zu interessieren.

Auch Cup-Organisatoren und lokale Geschäftsleute berichten von gesunkenen Erwartungen. Zahlreiche Souvenirläden in der Nähe der einzelnen Syndikate gingen bereits bankrott, und durch das geplatzte Traumfinale zwischen Conners „Stars and Stripes“ und der „New Zealand“ (die von den Italienern aus dem Rennen geworfen wurde), das zahlreiche neuseeländische Besucher garantiert hätte, gingen die letzten Hoffnungen auf dringend nötige Touristen-Dollars unter. Schon jetzt steht fest, daß San Diego statt der eingeplanten Einnahmen in Höhe von einer Milliarde Dollar mit weniger als der Hälfte zufrieden sein muß. „Wir haben mit Sicherheit das alles ein bißchen überschätzt“, sagte Reint Reinders, Präsident des San Diego Convention and Visitor's Bureaus, „der America's Cup wurde vermarktet wie Olympische Spiele. Das war vielleicht doch etwas übertrieben.“ Sven Busch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen