Seit 100 Tagen schüttelt Vogel Hände

Eklatante Armut an Ideen und Initiativen und ökologische Konzeptlosigkeit, aber verheißungsvolles Dauerlächeln: Duchac-Nachfolger Bernhard Vogel ist jetzt drei Monate Ministerpräsident in Thüringen  ■ Aus Erfurt Henning Pawel

„Man hört gar nichts vom Ministerpräsidenten Vogel.“ Frage eines Wählers an Christine Grabbe, Fraktionsvorsitzende der Bürgerbewegungen im Thüringer Landtag. „Händeschütteln hört man eben nicht“, so die lapidare Antwort der Politikerin und die unverzügliche Aufzählung des gesamten, vorgeblichen Vogelmankos. Auch auf der Pressekonferenz der Bürgerbewegung aus Anlaß des hunderttägigen Interregnums des zugereisten Rheinland-Pfälzers die gleiche pessimistische Einschätzung. „Duchac“, so Matthias Mieth, der Pressesprecher, „war eine Altlast. Vogel eine Notlösung. Dafür aber müsse nicht, wie sie es verdienen würde, die Thüringer CDU zahlen, obwohl der die Mitglieder in Scharen weglaufen, sondern das Land und seine Menschen.“

Durch die Übernahme der kompletten Duchac-Regierungsmannschaft, so Grabbe, habe sich Bernhard Vogel jede Möglichkeit zu einem tatsächlichen Neuanfang genommen. Den so altlastigen wie mächtigen Innenminister und CDU- Vorsitzenden Willibald Böck im Rücken, die ob ihrer Inkompetenz vom Kultusministerium ins Europaressort übergewechselte Pastorin Christine Lieberknecht zur Seite und den von Skandalen umwitterten Sozialminister Axthelm gegenüber, bleibt Vogel nichts anderes übrig, als händeschüttelnd durchs Land zu reisen und verheißungsvoll zu lächeln. Das aber konnte schon sein Vorgänger, der Duchac Pepi.

Der übrigens, Vogel soll erbleicht sein, hat angekündigt, auf dem nächsten CDU-Landesparteitag für den stellvertretenden Landesvorsitz zu kandidieren. Die Hauptursache für das Versagen der Regierung Vogel sieht Olaf Möller, Landtagsmitglied der Grünen, nicht im Mangel an finanziellen Möglichkeiten, sondern in der eklatanten Armut an Ideen und Initativen. Noch immer ist kein Haushalt verabschiedet, das Thüringer Durchschnittseinkommen ist das zweitniedrigste nach Mecklenburg in Deutschland. Die Arbeitslosigkeit liegt gar mit an erster Stelle im vereinigten Vaterland. Kürzungen im Sozialetat und Erhöhungen der Baumaßnahmen der Landesregierung sowie die fortgesetzte Aufblähung der Verwaltung charakterisieren eine zwar professionell verkaufte, gleichwohl aber völlig unwirksame Politik.

Obwohl der Ministerpräsident Mitglied im Verwaltungsrat der Treuhand ist, habe sich an der wirtschaftlichen Situation nicht das geringste geändert. Die Privatisierungen geschähen völlig konzeptionslos. Investitionen würden gefördert, ohne Rücksicht auf arbeitsmarktpolitische Auswirkungen. Nicht weniger fatal, so der Landtagsabgeordnete Ralf Päsler, sei die Situation in der Ökologie. Achtzig Prozent der Thüringer Wälder sind geschädigt. Dennoch wird bei der Bekämpfung alter und neuer Waldschäden, beim Schutz des Grundwassers und Immissionsschutz weiter gespart.

Keine ökologische Wende auch in der Landwirtschaft in Aussicht. Statt dessen Förderung des Renomierobjekts Erfurter Flughafen und fürs erste 17 Millionen in diese akkustische Umweltverschmutzung der Landeshauptstadt. Auch in der Bildung sieht Gerhard Wien, Mitglied im Landtag, nach wie vor schwerste Unzulänglichkeiten. Das Lehrerüberprüfungsgesetz sei in seinem Dilettantismus regelrecht in den Sand gesetzt, Berge anstehender Arbeitsrechtverfahren, eine zur Restschule pervertierte Regelschule, überquellende Gymnasien sind nur die sichtbaren Resultate. Nebulöses Liebäugeln mit der Gründung einer Erfurter Europäischen Universität, gleichzeitig aber Kürzung des Etats sämtlicher Thüringer Hochschulen. Auch die konservativen Flötentöne würden wieder lauter, behauptet Gerhard Wien. Das Reformflügelchen der CDU sei erlahmt.

100 Tage Vogel. Er hat zweifellos ein schweres Erbe angetreten. Und vielleicht muß man ihm weitere 100 Tage Schonfrist einräumen. Oder 200? Denn dann beginnt ja schon die nächste närrische Saison. Und die hat Vogel nun wirklich in Erfurt mit Bravour bestanden. Hatte sein Vorgänger, der Joseph Duchac, aber eigentlich auch.