: Anke in der Krise
■ Anke Huber scheitert überraschend in der zweiten Runde des Tennisturniers in Berlin gegen Sandra Cecchini
Berlin (taz) — Anke Huber war am Boden zerstört. So genial hatte sie begonnen gegen die unbequeme Sandra Cecchini, die sie 1991 bei den French Open in Paris übel reingelegt hatte. Damals simulierte die gerissene Italienerin eine schmerzhafte Verletzung, was die liebe Anke bewog, nur halb so hart zuzuschlagen. Bis der Schwindel aufflog, hatte Huber verloren.
Diesmal schlug sich die 17jährige selbst. Erstklassig begann sie den ersten Satz, jagte die schwerfällig wirkende Cecchini tüchtig von links nach rechts und holte sich den Durchgang klar mit 6:1. Doch wie aus heiterem Himmel kam der Einbruch. Trainer Boris Breskvar mußte am Spielfeldrand hilflos zusehen, wie seiner Spielerin rein gar nichts mehr gelang. Was nicht zuletzt an Cecchini lag. Geschickt nahm die zehn Jahre ältere Spielerin, die für ihre herzhaft-deftigen Flüche beliebt ist, das Tempo aus dem Spiel. Scheinbar träge bewegt sie sich reptilienartig auf dem Platz, paralysiert so die Gegnerin, kommt aber wundersamerweise an fast jeden Ball heran. Mit dieser Gummiwandtaktik, gepaart mit einem gemein unterschnittenen Rückhand-Slice und dem 158 km schnellen Aufschlag, zog sie Anke Huber den letzten Zahn. Der Versuch der Deutschen, Tempo zu machen, führte zu überhasteten Aktionen, die wahlweise im Netz oder im Aus endeten.
Die Verzweiflung war Anke Huber anzusehen, als sie den zweiten Satz mit 2:6 abgab. Es folgte eine schwere Verkrampfung in Kopf und Körper, bis der dritte Satz mit 0:6 und damit das Spiel verloren war. Erst außerhalb des Courts löste sich der Krampf, und Anke Huber tat das, was Boris Becker gemeinhin auf dem Platz zu tun pflegt, um Niederlagen abzuwenden: Sie weinte vor Wut und Enttäuschung erst mal tüchtig ab.
Tapfer erschien sie mit rotgeränderten Augen zur Pressekonferenz. „Ich muß erst mal wieder meinen Kopf in Ordnung bringen“, befand der unglückliche Teenager. Tatsächlich scheint ihr Problem das oft zitierte Mentale zu sein. Denn nicht daß sie verliert, ist das Schlimme, sondern wie sie verliert. „Der erste Satz war einer der besten, die ich je auf Sand gespielt habe, und dann plötzlich reißt der Faden völlig ab“, urteilt Huber. Ähnliche Horrorerlebnisse wie in Berlin erlitt sie jüngst im Halbfinale von Hamburg. Dort begann sie 3:0 gegen Steffi Graf, um fortan kein einziges Spiel mehr zu holen. Am vergangenen Freitag in Rom führte sie im Viertelfinale gegen die Amerikanerin Mary Joe Fernandez 6:3, 5:1 — und verlor in drei Sätzen. Seit ihrer dreimonatigen Verletzungspause funktioniert dieser Mechanismus. „Nach Berlin habe ich eine Woche frei, vielleicht nutzt das“, hofft Anke Huber auf Besserung vor den French Open, die übernächste Woche beginnen. Bis dahin wird sie mehr noch als ihre Muskeln die Ohren strapazieren. Denn das Rezept des Trainers gegen die Blockade: „Reden, reden und nochmals reden.“ miß
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