Die lieben Verwandten

■ Eine Zwei-Personen-Nachtschau mit Texten von Max Goldt im Übü-Theater

Drangvolle Enge herrscht im Treppenhaus des im zweiten Hinterhof liegenden Fabrikgebäudes in der Kreuzbergstraße. Zweieinhalb Stockwerke weit staut sich der Strom der vorangemeldeten Gäste auf dem Weg in die vorletzte Etage unterm Dach. Auf dem Programm steht die Taufe einer Humoristenschöpfung: Mein äußerst schwer erziehbarer schwuler Schwager aus der Schweiz, und in der Tat zeigen sich einige der Wartenden vor dem schmalen Einlaß reichlich verhaltensgestört. Doch das böse Geschubse und Zetern vor der Tür sind vergessen, als die lieben Verwandten auf den Rängen eng zusammenrücken. Im Bierdunst üben Menschen, die sich nie zuvor gesehen haben, den Schulterschluß.

Die beiden Gastgeber, bereits auf der Bühne, ficht das nicht an. Auf einem bequemen Kanapee sitzend, plaudern sie leise zu Schlagermusik der siebziger Jahre und lösen Kreuzworträtsel. Das Erraten von Baumschädlingen und Begriffen wie »Innere Emigration« bereitet ihnen keine Schwierigkeiten. Doch am »höchsten aller Gefühle mit fünf Buchstaben« (der erste ist ein L) scheitern Helmut Mooshammer und Andreas Stadler trotz heftiger Anstrengung.

Schrullig, aber durchaus liebenswert wenden sie sich schließlich ihrem Publikum zu, um sich über Männer mit vollständiger Vorhautverengung, lesbische Millionärinnen mit Hang zum Flagellantentum (»Strafi muß sein, auch körperlich«) und der Tätigkeit eines Bahnhofsbischofs zu verbreiten. »Wenn Juwelen aus Versehen funkeln und Rüben nur aus Rücksicht runkeln«, soubrettelt der Österreicher Mooshammer. »Wenn die Gemeine Gartenamsel intensiv nach Käse riecht und der Emmentaler Käse jedes Jahr nach Süden fliecht, dann kommt er gleich...«, und Andreas Stadler, sonst der Stillere, springt vom Sofa, um, »Staatsstreich, Staatsstreich!« rufend, sich zu deplazieren.

Die Rollen sind klar verteilt. Mooshammer, ein komisches Naturtalent, macht Slapstick, während der Schweizer Stadler den eher besinnlichen Part übernimmt. Beide ergänzen sich aufs allerschönste, und auch, was die immer wieder auftauchende Frauenfeindlichkeit betrifft, sind die beiden Künstler d'accord mit dem Schöpfer der Texte. Über »Titten auf dem Tisch« freut sich auch das lachsüchtige Publikum. Eine etwas subtilere Art des Humors, der Goldt- Texten eigen ist, geht im freudigen Gröhlen des Publikums unter.

Mooshammer und Stadler haben sich das Sorgerecht für die Kleinodien des 'Titanic‘-Kolumnisten genommen, und sie führen in ihren Sketchen Goldts Texte originell und unterhaltsam vor. Selbst den Hinweis auf schwules Selbstbewußtsein, der bei der Nachtschau immer wieder anklingt, verträgt das bräsige Publikum. Nur beim Zungenkuß ganz zum Schluß regt sich Protest bei einem einzelnen Herrn im Saal: Ob das wohl nötig gewesen wäre? Stefan Gerhard

Mein äußerst schwer erziehbarer schwuler Schwager aus der Schweiz läuft heute, morgen und übermorgen sowie am 22. und 25. Mai jeweils um 21.30 Uhr im Übü-Theater, Kreuzbergstraße 7, 2. HH. Kartenvorbestellung ist dringend notwendig.