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Jetzt auch mit Joystick

■ Die Galerie Bruno Brunnet Fine Arts zeigt neue Bilder von Albert Oehlen

Im vorigen Frühjahr konnte der internationale Kunsthandel mit Preisen um 320.000 Mark im Auktionsbetrieb bei Christie's und Sotheby's für mittlere Formate Georg Baselitz als den absoluten Großverdiener auszeichnen. Auch Gerhard Richter braucht sich mit rund 300.000 Mark pro Bild keine Sorgen wegen des Broterwerbs machen. Die meisten der neoexpressiven Jungen Wilden dagegen rangieren auf der Preisliste mittlerweile nur noch unter ferner liefen.

Walter Dahn verdient sich gerade mal sein Taschengeld mit der Malerei, Salomé ist ganz und gar vom Tisch der Absahner verschwunden. Da stellt sich denn doch die bange Frage: Gibt es ein pralles Leben nach Baselitz — oder wenigstens ein halbwegs großzügig gefülltes Portemonnaie?

Albert Oehlen zumindest hat sich für das nächste Jahrtausend gerüstet. Die Galerie Bruno Brunnet Fine Arts zeigt den Maler mit seiner ersten Einzelausstellung in der ehemaligen Mauerstadt, nachdem auch die Kuratoren von »Metropolis« ein Einsehen mit der einstmals jungen Kunst gezeigt hatten und Oehlen wie aus einer Art Zwischenreich im Hier und Jetzt des Postkonzeptualismus und der minimierten Warenästhetik auf der Leinwand wütend seinen Platz im globalen Kunsteinsatzkommando erhielt.

Doch die Exorbitanz seiner (wenig verblümt) unstrategischen Bilder hat auch in Zeiten blasser Philosophieexegese ihre Qualitäten und Modernitäten. Angeregt von elaborierten Spielereien am Computer und von den Techno-Jüngern der letzten »Ars Electronica« animiert, hat Oehlen nun auch selbst den Pinsel mit dem Joystick vertauscht. Dabei sind Bilder entstanden, die durchaus ironisch mit der gefälligen Animation der gängigen Grafikprogramme umgehen. Denn die Ataris oder Amigas produzieren offensichtlich keine Kunst, sondern allerhöchstens digitalen Trash.

Aber bedarf es tatsächlich eines bildenden Künstlers, um das ästhetische Debakel der allgegenwärtigen Codes bloßzustellen?

Mit geübtem Pinselstrich hat Oehlen nachträglich die Schwarzweißausdrucke retuschiert und damit dem Netzwerk Leben eingehaucht. Auf der programmierten Landkarte ist eine individuelle Handschrift entstanden, als überdachte Spur. Sie fügt der binären Logik der Schaltstelle willkürliche Operationen durch den Künstler zu, ohne jedoch die Fakten zu verändern. Oehlen ergänzt gewissermaßen das Programm um den Unschärfefaktor der menschlichen Arbeit.

Auf den mannshohen Ölbildern setzt sich das Spiel zwischen Ordnung und Chaos in verfremdeter Figürlichkeit fort. Auf Megalisa ist mit sicherem Farbgefühl Altrosé, Preußischblau oder ein helles Grün über eine kristalline Figur gelegt, bis das Sujet nur noch in Umrissen durch die einzelnen Schichten schimmert.

Oehlen, der einst den Untergrund belebte, reizt noch zehn Jahre nach dem Punk energisch auf der Oberfläche. Da wirken sogar die 60.000 Mark, die die Megalisa kosten soll, souverän und nachlässig zugleich. Harald Fricke

Albert Oehlen, Neue Bilder, bis 30.5. bei Bruno Brunnet Fine Arts

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