Der sanfte Weg zu gelben Füßen

■ In der Judo-Bundesliga zerrt der SCB den VfL Wolfsburg ohne faule Tricks mit 5:2 von der Matte

Hohenschönhausen. Wenn dann, wie in jedem Jahr, wieder die falsche Mannschaft deutscher Fußballmeister geworden ist, tröstet wenigstens der Gedanke, daß es auch in anderen Sportarten Bundesligen, prima Stimmung und viel Spannung gibt. Die Vorliebe auf verschiedene Bereiche innerhalb des Genres zu verteilen erhöht nicht nur die Chance, irgendwann bei den Jublern zu sein, sondern auch, wenn's nicht klappt, die Leidensfähigkeit. Ist ja auch schon was...

In der Judo-Bundesliga trafen an diesem Wochenende zwei Spitzenclubs aufeinander. Der VfL Wolfsburg war schon mehrfach deutscher Meister und einmal Europacupsieger, der Tabellenerste SC Berlin konnte ähnliche Erfolge vorweisen (nur in einem anderen Land, der DDR).

Die Probleme der anderen aus dem großen Dynamo herausgelösten Sportvereine kennen die Ostberliner Judokas nicht, Hohenschönhausen wurde gar Bundesstützpunkt. So bezahlt der Verband die beiden Trainer, den ersten deutschen Weltmeister Detlev Ultsch und den ersten Olympiamedaillengewinner Dietmar Hötger.

Mit selbstgebackenem Kuchen und Kaffee konnte sich das Publikum für die kommenden Strapazen stärken, denn das Judo-Motto „Der sanfte Weg“ mag zwar den Sport sehr schön beschreiben, die Fans reagieren jedoch eindeutig nicht mit fernöstlicher Gelassenheit.

Die ersten beiden Kämpfe konnte der SC schnell für sich entscheiden, in der Klasse bis sechzig Kilo allerdings gelang dem Wolfsburger Torsten Havekorst schon nach wenigen Sekunden ein Schulterwurf und damit der Sieg.

Im nächsten Kampf standen sich Berliner wie Wolfsburger Anhänger in nichts nach, da wurde gebuht und geklatscht und „Mach ihn alle“ gerufen, jede gegnerische Verwarnung gefeiert, die Wolfsburger konnten schließlich zum 2:2 ausgleichen.

Gleichwohl ist Judo ein sehr fairer Sport, gar drei Mattenrichter wachen darüber, daß keine faulen Tricks angewandt werden, und trotz des nicht sehr hohen Verletzungsrisikos ist ein Arzt immer zur Stelle. Trotzdem sieht es bedrohlich aus, wenn die Herren Judoka aufeinander zustürmen; mit einer Miene, so finster, als wollten sie den Gegner am liebsten erwürgen. Sich schließlich einander „Beinchen stellen“ und ineinander geschlungen schließlich auf die Matte fallen, wo sie erst mal liegenbleiben. Natürlich in Positionen, die dem Zuschauer schon beim bloßen Anschauen Rückenschmerzen verursachen. Immerhin, so viele gelbliche Fußsohlen wie beim Judo sieht man selten...

Die Schiedsrichter dürfen als einzige Socken tragen. Ihre Kommandos und Anweisungen klingen zwar samt und sonders wie die Namen japanischer Automarken, werden von den Zuschauern aber ohne Probleme verstanden und selbstverständlich sofort angezweifelt: „Von wegen yuko, der spinnt ja!“

Am Ende siegte der SC Berlin verdient mit 5:2, da half auch alles Aufregen der Wolfsburger nicht; der ehemalige Europameister in ihren Reihen, der „Judo-Graf“ Alexander von der Groeben, schlug vor lauter Mitfiebern sogar beinahe die Werbetafeln kaputt.

Ja, die Judo-Bundesliga-Begegnungen anzusehen lohnt sich wirklich, nicht nur, weil kein Verein aus Stuttgart dabei ist, der noch in letzter Minute unangenehm auffallen könnte...

Am nächsten Samstag um 19 Uhr zerren und klammern die SC Berliner im Sportforum gegen den belgischen Meister aus Ronse. Es geht um das Weiterkommen im Europacup und könnte eine gute Gelegenheit sein, angesammelten Fußballfrust loszuwerden und eine neue Leidenschaft zu entwickeln. Schließlich gibt's beim Judo keine unberechtigten Elfmeter, keine Schwalben und keine Abseitstore. Aber dafür jede Menge Begeisterung. Elke Wittich