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Türkisch-kurdischer Konflikt auf Bremens Straßen

■ Am Samstag wurden zahlreiche Menschen verletzt, als eine Demonstration von nationalistischen TürkInnen mit pro-kurdischen GegendemonstrantInnen aufeinandertrafen/ SPD hat keine eindeutige Haltung

Bremen (taz) — Zu einer kurzen, aber sehr gewalttätigen Auseinandersetzung kam es am Samstag mittag in Bremen, als eine Demonstration von rund 700 nationalistischen Türken auf eine Gegendemonstration stieß, zu der einige linke türkische und deutsche Organisationen aufgerufen hatten. 70 GegendemonstrantInnen, die versucht hatten, den nationalistischen Türken den Weg abzuschneiden, wurden vorübergehend festgenommen.

Zwei Stunden lang hatten starke Polizeikräfte beide Parteien auseinandergehalten. Aber schließlich versuchten die Staatsdiener doch noch, den Türkeifähnchen schwingenden, offiziell angemeldeten Demonstrationszug durch die Reihen der Gegendemonstranten zu schleusen. Steine, Flaschen und Fahnenstangen flogen aus beiden Richtungen und die Polizei knüppelte den Weg frei. Zurück blieben zahlreiche, zum Teil schwer verletzte DemonstrantInnen und acht leicht verletzte Polizisten.

Zu der nationalistischen Demonstration war vom türkischen Honorarkonsul in Bremen zusammen mit einer „Deutsch-Türkischen Gesellschaft“ aufgerufen worden, um „gegen Drogenhandel und Terror“ zu protestieren und ihre Unterstützung für die „nationale Einheit der Türkei“ kundzutun. Mitunterzeichner des Aufrufs war auch die Bremer Organisation der für ihren gewalttätigen großtürkischen Nationalismus bekannten „Grauen Wölfe“.

Vor allem gegen deren Beteiligung und gegen die Leugnung eines kurdischen Volkes im Demonstrationsaufruf richtete sich die Gegendemonstration. Kurdische Organisationen hatten allerdings ausdrücklich nicht dazu aufgerufen, um die absehbare Konfrontation zu vermeiden.

Die Bremer SPD hatte sich noch am Freitag nachmittag von der Demonstration distanziert. Schließlich war in dem Aufruf auch die „Anti- Türkei-Haltung der Bremer Landesregierung“ kritisiert worden. Dieser Vorwurf bezog sich vor allem auf ein Aufenthaltsrecht, das kurdische Flüchtlinge aus der Türkei bis Mitte letzten Jahres in Bremen bekamen. Urheber dieses Bremer „Kurdenerlasses“ war der frühere Innensenator Volker Kröning (SPD), der pikanterweise auch dem Vorstand der „Deutsch-Türkischen Gesellschaft“ angehört, die zu der türkisch-nationalistischen Demonstration aufgerufen hatte. „Ich wußte davon nichts, ich halte davon nichts, und ich distanziere mich davon“, erklärte Kröning am Freitag gegenüber der taz.

Trotz der SPD-Distanzierung trat der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Würtz als Hauptredner der Abschlußkundgebung auf. „Lassen Sie sich von niemandem einreden, daß die Türkei keine Demokratie wäre“, rief er. Systematische Menschenrechtsverletzungen des türkischen Staates in Kurdistan gebe es nicht. Vielmehr werde die staatliche Einheit der Türkei dort von „kurdischen Terroristen“ bedroht.

Der Fraktionsvorsitzende der Bremer Grünen, Martin Thomas, kritisierte die Taktik der Polizei: „Beide Seiten wollten sich prügeln, das war klar. Die Polizei hätte sie trennen müssen.“ Die Polizei wiederum rechtfertigte ihr Vorgehen damit, daß sich bei einer weiteren Blockade des genehmigten Demonstrationsweges „größere Teile des Aufzuges verselbständigt hätten und unkontrolliert auf die Gegendemonstration zumarschiert wären“. Dirk Asendorpf

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