Ausnahmezustand in Bangkok

■ 20 Tote, 250 Verletzte und Hunderte in Haft/ Nach Zusammenstößen zwischen Militär und Regierungsgegnern gehen die Proteste weiter/ Oppositionsführer Chamlong festgenommen

Bangkok (afp/taz) — Nach zunächst friedlicher Massendemonstration von Hunderttausenden gegen Thailands Regierungschef Suchinda Krapayoon, der sich vor einem Jahr mit Hilfe des Militärs an die Macht putschte, kam es in der Nacht zum Montag und am gestrigen Nachmittag zu blutigen Auseinandersetzungen auf dem Sanam Luang Platz in Bangkok. Dabei sollen etwa 20 Menschen getötet und 200 bis 250 verletzt worden sein. Allein ein Fotograf hat beobachtet, wie in seiner unmittelbaren Nähe 15 Leichen in einem Krankenwagen abtransportiert wurden.

Versammlungsverbot in Bangkoks Straßen

Bereits am Sonntag abend hatte die Regierung nach fortgesetzten Protesten von Oppositionellen den Ausnahmezustand über die Hauptstadt und ihre benachbarten Provinzen verhängt. Danach sind ab sofort Versammlungen von mehr als zehn Personen verboten, die Pressefreiheit wurde eingeschränkt, und selbst Schulen bleiben vorübergehend geschlossen. Dennoch blieben rund 30.000 Menschen auf Bangkoks Straßen, gegen die die Polizei mit großer Härte vorging.

So wurde am gestrigen Nachmittag neben Hunderten von DemonstrantInnen auch Thailands Oppositionschef Chamlong, der ehemalige Bürgermeister von Bangkok, festgenommen. Rund 1.000 Soldaten drangen im Regierungsviertel von Bangkok mit brutaler Gewalt in eine Gruppe von etwa 10.000 Oppositionellen vor, um aus ihrer Mitte General Chamlong abzuführen. Dabei zwangen die Uniformierten die männlichen Demonstranten, ihre Hemden auszuziehen. Frauen wurden mit dem Gesicht nach unten zu Boden geworfen.

Kurze Zeit später versuchte Suchinda das gewaltsame Vorgehen gegen die DemonstrantInnen zu rechtfertigen. Im Fernsehen sagte er, diese seien außer Kontrolle geraten und hätten das Regierungsgebäude gefährdet. Es war sein erster öffentlicher Kommentar zu der Gewalt. Suchinda sagte weiter, offizielle Vertreter hätten die ganze Zeit über versucht, Gewalt zu vermeiden, doch Oppositionsführer Chamlong habe die Masse aufgefordert, die Polizei mit Gegenständen zu bewerfen. Da habe man eingreifen müssen. Er warf Chamlong zudem vor, er habe eine aufgebrachte Gruppe angeführt, die eine Polizeistation überfallen und Waffen gestohlen habe.

„Chamlong wird vor Gericht gestellt“, gab Oberst Banchorn Chawansilp, der Sprecher der Behörde für innere Sicherheit, später bekannt. Doch auch von dieser Maßnahme der Regierung will sich die Opposition nicht einschüchtern lassen. „Wir müssen kämpfen, sonst wird in diesem Land noch mindestens zehn Jahre die Diktatur herrschen“, sagte Trapansak Kamolpetch, einer der Organisatoren der Demonstration.

Zu den gewalttätigen Zusammenstößen zwischen der Polizei und DemonstrantInnen war es gekommen, als die Menschenmenge auf das Regierungsgebäude zumarschierte. Die Polizei versperrte den DemonstrantInnen mit Stacheldrahtbarrikaden den Weg und setzte Wasserwerfer gegen sie ein. Augenzeugen zufolge ergriffen Spezialeinheiten einzelne Demonstranten und zerrten sie hinter die Barrikaden. Daraufhin begannen einige Demonstrationsteilnehmer, die Polizei mit Steinen und Flaschen zu bewerfen.

Erst vor einem Jahr hatte der derzeitige Ministerpräsident Suchinda als mächtigster General des Landes einen Putsch gegen die gewählte Regierung angeführt. In Zusammenhang mit seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten am 7. April trat er aus der Armee aus. Die Opposition beschuldigt ihn jedoch weiterhin, an der Spitze eines verkappten Militärregimes zu stehen. Aus diesem Grund war es bereits vor etwa zwei Wochen zu einwöchigen Massendemonstrationen gegen Suchinda gekommen. Beendet wurden sie erst am vergangenen Montag, nachdem die regierungsfreundliche Fünf-Parteien-Koalition mit der Opposition übereingekommen war, eine Verfassungsreform herbeizuführen. Die geplante Verfassungsänderung sollte vorschreiben, daß der Regierungschef gewähltes Parlamentsmitglied sein muß. Damit wäre Suchinda automatisch zum Rücktritt gezwungen gewesen.

Regierungsparteien hintergehen Opposition

Doch die Regierungsparteien, so der Vorwurf der Opposition, seien, anstatt die geplante Verfassungsänderung in Gang zu bringen, mehr und mehr von ihren Versprechungen abgerückt. In einem Brief an den König hätten sie unter anderem betont, ein Rücktritt des derzeitigen Premierministers sei vor Ablauf der Legislaturperiode sowieso nicht denkbar, selbst wenn der strittige Verfassungsartikel geändert werde. Wegen solcher und ähnlicher Äußerungen beschloß die Opposition, ihre Proteste am Sonntag wiederaufzunehmen. BZ