Entengleiche Landung

■ Die favorisierten Chicago Bulls gewinnen erst im siebenten Spiel die Serie gegen die New York Knicks

Es war knapp und hätte auch schief gehen können, aber im siebten und letzten Spiel der Halbfinal-Serie in der „Eastern Conference“ schafften die Chicago Bulls, auch in dieser Saison haushohe Favoriten der amerikanischen Basketball-Liga NBA, einen 110:81- Sieg gegen die New York Knicks und gewannen damit die Serie denkbar knapp mit 4:3. Superstar Michael Jordan warf nach eher mäßigen Leistungen in den ersten sechs Spielen diesmal 42 Punkte.

Nachdem die Los Angeles Lakers, letztes Jahr immerhin Endspielgegner der Bulls, in dieser Saison auf ihren Superstar Earvin „Magic“ Johnson wegen dessen HIV-Infizierung verzichten mußten und bereits in der ersten Runde der Playoffs sang- und klanglos mit 1:3 gegen die Portland Trail Blazers ausgeschieden waren, schien der Durchmarsch von Chicago unvermeidlich. Und als auch noch die Angstgegner und Erzfeinde der Bulls, die Detroit Pistons, gegen New York mit 2:3 ausschieden, rechnete kaum jemand damit, daß Chicago noch Schwierigkeiten auf dem Weg zum Titel haben würde.

Aber sie hätten gewarnt sein müssen. Die Knicks hatten die Pistons mit deren eigenen Mitteln geschlagen: eine extrem rüde und kompromißlose Defensive. Nur im ersten Spiel konnten die Knicks 109 Punkte erzielen, ansonsten blieben alle Spiele unter der 100er Marke — in der NBA eine Seltenheit.

Und die ausgeschiedenen Pistons sagten den Bulls einen heißen Tanz voraus. „Wenn es die Liga ihnen erlaubt, schlagen die Knicks Chicago“, meinte Piston-Star Bill Laimbeer und spielte damit auf einen alten Streit zwischen Pistons und Bulls an. Die einen behaupten, die Schiedsrichter seien zu kleinlich, die anderen, sie würden zu viel durchgehen lassen. Dazu kommt, daß die NBA mit „Magic“ Johnson einen ihrer Stars verloren hatte und ein frühes Auscheiden von Jordan schlecht für die Attraktivität gewesen wäre.

Als die Knicks am 5.Mai zum ersten Spiel der Best-of-Seven-Serie in Chicago antraten, gab niemand einen Pfifferling auf sie. Als sie mit 94:89 gewannen, hielt es jeder für einen Ausrutscher. Als die Bulls in den beiden nächsten Spiele siegten, schien alles seinen gewohnten Gang zu gehen. Dabei hätte stutzig machen müssen, daß Chicago in allen drei Spielen wenig Punkte erzielte. Mehr als 94 wurden es nie, und damit war die Taktik der New Yorker aufgegangen: Die überragende Offensive der Bulls mit Jordan und Scottie Pippen einzudämmen. Knick-Coach Pat Riley: „Laßt sie nicht in die Zone kommen, das ist ihr ganzes Spiel.“ Die Knicks zwangen die Bulls zu Fernwürfen und verhinderten die Jordanschen Antritte mit anschließendem Korbflieger.

Spiel vier in New York gewannen die Knicks, Spiel fünf die Bulls, Spiel sechs wieder die Knicks. Es stand unentschieden 3:3, jedes Spiel war so eng und umkämpft wie die ganze Serie, und das nächste mußte nun entscheiden. Diese Serie hatte auch klar gemacht, wie sehr das Spiel der Bulls auf Jordan zugeschnitten war. In der ersten Playoff-Runde hatte er einen 45- Punkte-Schnitt erzielt. In den ersten sechs Begegnungen des Halbfinals waren es nur noch 29.

Wäre Scottie Pippen nicht gewesen, die Bulls wären überhaupt nicht in ein siebtes Spiel gekommen. Er entwickelte sich zum Rebound-König der traditionell defensiv eher schwächeren Bulls. So konnte Michael Jordan am Morgen des 17.Mai mit seinem Vater debattieren, wie er spielen sollte. Der riet ihm, aggressiv wie üblich zu sein, und diesmal kam der Sohnemann besser in die Zone. 42 Punkte und die Bulls das erste Mal über 100, die Katastrophe gerade nochmal abgewendet. Es wäre auch zu tragisch, hätten wir auf die entengleichen Landeanflüge Jordans auf den Korb verzichten müssen. Im Finale treffen die Bulls nun auf die Cleveland Cavaliers, die die Boston Celtics in sieben dramatischen Spielen ausschalteten. to