Vom Scheißen

■ Im Stückemarkt: »Sense« von Werner Fritsch

Der Autor ist ein hochgewachsener Oberpfälzer mit Wohnsitz in Tirschenreuth. Nach seinem Monolog Steinbruch über einen Bundeswehrsoldaten, nach Fleischwolf, einem Kriegdrama aus Friedenszeiten, stellte er sich am Mittwoch auf dem Theatertreffen im Rahmen des Stückemarkt mit einem weiteren Monolog vor.

Wieder hat ein Gedienter das Wort, diesmal ist es der NS-Feldwebel Luck, Kriegsgefangener in der Ukraine, heute EG-Bauer. Der, der ihn sich ausdachte, Werner Fritsch, ist Jahrgang '60 — neunzehnhundertsechzig, versteht sich. Ob er gedient hat, ist nicht bekannt. Es ist aber eher zweifelhaft.

Peter Simonischek liest den Text ohne Punkt und Komma, ohne Atempausen für Geist und Ohren. Von einem blutigen Betriebsunfall ausgehend, assoziiert sich Bauer Luck durchs oberpfälzische Leben. Erinnert sich an die »Lanzerpankerte in der Ukraine«, die deutsche Kriegsgefangenen »Ukrainerinnen durchs Astloch vögelnd« hinterließen, springt dann plötzlich zur Käferplage in die Gegenwart, um — in Gedanken wieder zur Ukraine zurückgekehrend — festzustellen, daß »wir damals zu Scheißkerlen erzogen wurden«.

Der Dreck sind natürlich immer die andern, die Polacken, Russen oder Ukrainer. Der Deutsche hingegen ist zum Scheißen erzogen. Das war früher so und hat sich für den Luck'schen bis heute nicht wesentlich geändert.

Mit viel Gespür für Zwischentöne und Nuancen entwickelt Werner Fritsch die gedankliche Endloschleife seiner Hauptfigur, die monologisierend zwischen Lächerlichkeit und dumpfem Nationalismus hinundherpendelt, die sich mit allen verkracht und sich fortwährend in sich selbst, in die ruhmreiche Vergangenheit und trostlose Gegenwart verstrickt.

Sense ist als Satyrspiel zu Fleischwolf entstanden, dem Kriegsdrama, das in der nächsten Spielzeit in Bonn uraufgeführt wird, nachdem die Münchner Kammerspiele es nach zwei Jahren Bedenkzeit nun doch nicht genommen haben. Möglichst bald sollte sich jemand auch daranmachen, die wortreiche Gewalttätigkeit des Bauern Luck ins Szenische umzusetzen. Es wird ein schwieriges Unterfangen werden, den komprimierten Monolog für die Bühne zu bearbeiten — Fritsch gibt für Sense keine Regieanweisungen, nicht einmal Interpunktionszeichen vor. Aber es ist ein Unterfangen, das sich lohnen dürfte. Klaudia Brunst