Iris Blaul unter Beschuß

Die grüne Sozialministerin Hessens sei überfordert  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Die CDU-Fraktion im hessischen Landtag fordert ihren Rücktritt, eine Flüchtlingshilfegruppe hat Strafanzeige wegen „unterlassener Hilfeleistung“ gegen sie erstattet — und selbst in den Reihen der grünen Landtagsfraktion mehren sich die kritischen Stimmen. Iris Blaul (36) von den Grünen, seit April 1991 hessische Staatsministerin für Jugend, Familie und Gesundheit und zuständig für die Unterbringung von AsylbewerberInnen, steht „under fire“.

Unionisten und diverse Flüchtlingshilfegruppen werfen der Ministerin vor, die mit der verstärkten Zuwanderung von AsylbewerInnen und Kriegsflüchtlingen aus Kroatien und Bosnien entstandenen Probleme rund um die Hessische Gemeinschaftsunterkunft (HGU) in Schwalbach nicht mehr bewältigen zu können. Die CDU hat Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD) aufgefordert, seine grüne Ministerin zu feuern — oder ihr zumindest die Zuständigkeit für die Flüchtlingsunterbringung zu entziehen.

In der SPD-Fraktion denken einzelne Abgeordnete bereits „halblaut“ über einen Nachfolger für Iris Blaul nach: Rupert von Plottnitz (51) heißt ihr Wunschkandidat für den Schleudersitz. Doch der amtierende Fraktionsvorsitzende der Grünen wollte schon vor einem Jahr kein Minister werden, weil ihm dann — so der Ex-RAF-Anwalt augenzwinkernd — keine Zeit mehr zum Tennisspielen bleibe.

Es war Rupert von Plottnitz, der sich am Dienstag vor „seine“ Ministerin stellte und die CDU-Kritik an ihr als „heuchlerisch“ zurückwies: „Die CDU versucht, aus der Notlage der Flüchtlinge billigen parteipolitischen Profit zu ziehen.“

Mit der Verschleppung der Bearbeitung von rund 300.000 Asylanträgen trage schließlich Bonn die Hauptverantwortung dafür, daß die Erstaufnahmeeinrichtungen total überfüllt seien. Im Landtag habe auch die CDU vernünftigerweise die Hand dafür gehoben, daß den Kriegsflüchtlingen aus den Kriegsgebieten im ehemaligen Jugoslawien in Hessen ein Bleiberecht garantiert wird. Dazu komme, daß sich auch SPD-regierte Kommunen bei der Aufnahme weiterer AsylbewerberInnen zunehmend querlegten und sich die Verhandlungen um die freigewordenen Kasernen mit dem Bund und den Kommunen hinschleppten. Dick: „Es handelt sich hier um ein ganzes Problembündel, zu dessen Bewältigung gerade die CDU einen entscheidenden Beitrag leisten könnte— wenn sie nur wollte.“

Im Sozialministerium wies Sprecherin Susanne Nöcker gestern alle Spekulationen um einen möglichen Rücktritt von Iris Blaul oder eine bevorstehende Ressortbeschneidung zurück: „Dieser Sessel steht nicht zur Verfügung.“ Inzwischen sei der erste Vertrag zur Nutzung einer Kaserne für die Unterbringung der vor dem Aufnahmelager Schwalbach in Zelten lebenden Kriegsflüchtlinge unter Dach und Fach, so daß sich die Situation vor der HGU bald entspannen werde.