Armenien verhindert KSZE-Resolution

Zwischen Armenien und Aserbaidschan keine Verständigung über Nagorny-Karabach in Sicht/ Rußland ist um die Beziehungen zur Türkei besorgt/ Armenien buhlt um Rußland als Garantiemacht  ■ Aus Moskau K.-H.Donath

Der Versuch, im Konflikt zwischen den beiden ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan auf der KSZE-Konferenz in Helsinki einen Schritt vorwärts zu kommen, scheiterte Mitte der Woche an dem Einspruch Eriwans.

Die USA hatten eine Resolution vorbereitet, in der es hieß: „Die jüngsten schweren Feuergefechte hatten eine Ausdehnung der Krise auf aserbaidschanisches Gebiet zur Folge.“ Damit sollte Armenien— das Anfang der Woche einen Korridor zwischen dem Mutterland und der Exklave Nagorny-Karabach durch eine militärische Offensive geschaffen hatte — in die Schranken gewiesen werden. Zugleich sollte von vornherein sichergestellt werden, daß Armenien auf womögliche weitergehende territoriale Ansprüche gegenüber Aserbaidschan verzichtet. Armenien forderte seinerseits, daß die Angriffe Aserbaidschans auf armenische Grenzstädte verurteilt werden sollten.

Offiziell tritt Armenien für die Selbständigkeit Nagorny-Karabachs und dessen gleichberechtigte Vertretung in internationalen Gremien ein.

Wenn Armenien auch nicht formell Anspruch auf das erorberte Gebiet erhebt, macht es sich doch Hoffnungen, eine Statusänderung der Gegend um Latschin zu erzielen, die früher einmal autonomes kurdisches Gebiet gewesen ist. Indirekt spielte darauf der armenische Außenminister Raffi Owanessjan in Moskau an. Erst 1929 sei Rot-Kurdistan durch die Aufhebung des autonomen Status an Aserbaidschan gefallen.

Zuvor hatte sich der Außenminister mit ranghohen Vertretern Rußlands in Eriwan getroffen. Nicht zu übersehen war, daß Armenien Rußland als Garantiemacht umgarnt. Während die russische Seite bemüht ist, Spannungen mit der Türkei zu verhindern, spricht die armenische von der Möglichkeit eines gemeinsamen Vorgehens. Gennadij Burbulis, rechte Hand des russischen Präsidenten, sprach nach einer Visite in Eriwan vorgestern davon, er sähe keine Gefahr, die Türkei würde zugunsten Aserbaidschans in den Konflikt eingreifen. Auf dem Treffen der GUS-Staaten in Taschkent letzte Woche haben Rußland, Armenien und die drei Turkrepubliken Usbekistan, Kasachstan und Kirgistan einen gegenseitigen Beistandspakt unterzeichnet, auf den sich Armenien nun beruft.

Allerdings ist es mehr als fraglich, ob die Turkrepubliken im Falle eines militärischen Konfliktes oder eines Eingreifens der Türkei tatsächlich zu ihrer Verpflichtung stehen werden. Denn die Türkei gilt allen unterentwickelten Nachfolgestaaten in Mittelasien als Hoffnungsträger.

Im Einklang mit Burbulis äußerte sich auch der neue russischen Außenminister Gratschow: Er sähe keine „bedeutende Bedrohung seitens der Türkei“. Moskau — im Gegensatz zu Eriwan — bemüht sich sehr darum, Distanz zu bewahren. Armenien bat Rußland, die auf seinem Territorium stationierten Truppen nicht abzuziehen. Moskau scheint demgegenüber von seinen Rückzugsplänen nicht abrücken zu wollen. Allerdings wurden keine genauen Terminierungen vorgenommen.

In Moskau ist man sich wohl darüber im klaren, welche Eskalation aus der Konfrontation mit der Türkei erwachsen könnte. Die Verpflichtungen des Westens und der USA seit dem Golfkrieg gegenüber der Türkei behält man hier im Hinterkopf. Trotz der historischen Interessen und der selbstangenommenen Schutzbefohlenenrolle Armeniens gegenüber Rußland. Die an den GUS-Grenzen unter Moskauer Befehl stehenden Truppen wurden zwar verstärkt, erhielten aber die Weisung zu strikter Neutralität.

Auf diese Neutralität setzt offenbar auch Aserbaidschan. Am Freitag sagte der stellvertretende aserbaidschanische Parlamentsvorsitzende Tamerlan Karajew nach Angaben von 'dpa‘ in Moskau, die neue Führung seines Landes wolle möglichst enge Beziehungen zu Rußland knüpfen. Parallel dazu sollen aber die Bindungen zur Türkei und zum Iran ausgebaut werden. Erst vor zwei Tagen hatte die aserische Volksfront erklärt, daß Aserbaidschan seine Mitgliedschaft in der GUS aufkündigen wolle.