Auch die Drucker streiken nun nicht

■ Arbeitgeber quälten sich mit der Schlichtungsempfehlung von 5,8 Prozent/ Höhere Forderung führte zum gleichen Ergebnis wie bei Metallern/ Überall also wieder Zeitungen im vollen Umfang erhältlich

Berlin (taz) — Nach 14stündiger Sitzung und abschließenden Beratungen in den Verbandsgremien haben sich die Tarifparteien der Druckindustrie am Freitag auf eine lineare Lohnerhöhung von 5,8 Prozent geeinigt. Sie tritt rückwirkend ab 1. April für die 225.000 Beschäftigten der westdeutschen Druckindustrie in Kraft. Die Laufzeit des Tarifvertrages soll zwölf Monate betragen. Nachdem sich Gewerkschaft und Arbeitgeber in der Bauindustrie schon im Laufe der letzten Woche auf einen Schlichterspruch von 5,8 Prozent geeinigt hatten, haben nun alle größeren Branchen der westdeutschen Wirtschaft die Tarifverhandlungen abgeschlossen.

Die Druckunternehmer taten sich schwer, die erarbeitete Schlichtungsempfehlung des Präsidenten des Bundessozialgerichts, Heinrich Reiter, zu akzeptieren. Während die Verhandlungsdelegation der Industriegewerkschaft Medien dem am Metall-Abschluß orientierten 5,8-Prozent-Vorschlag schon in der Nacht zugestimmt hatte, wollte die Verhandlungsdelegation des Bundesverbandes Druck die Verantwortung nicht auf die eigene Kappe nehmen und das höchste beschlußfassende Gremium des Verbandes, den sozialpolitischen Ausschuß, befragen. Dieser stimmte am Freitag nachmittag nach, wie es heißt „sehr kontroverser, sehr heftiger und sehr harter“ Diskussion mit knapper Mehrheit zu. Kurz danach einigte sich auch die große Tarifkommission der IG Medien auf das Ergebnis.

Hauptstreitpunkt in den Verhandlungen war das Verlangen der Arbeitgeber, wie beim Metallabschluß vom Wochenende eine Laufzeitverlängerung auf 21 Monate mit stufenweiser Lohnerhöhung durchzusetzen. Allerdings übersahen die Arbeitgeber dabei, daß die längere Laufzeit im Metallbereich wegen der 1993 wirksam werdenden Arbeitszeitverkürzung (von 37 auf 36 Stunden) von der Gewerkschaft akzeptiert worden war. Im Druckbereich wird die Arbeitszeit dagegen erst am 1.4.1995 verkürzt, dafür gleich um zwei Stunden von 37 auf 35 Stunden. Der jetzige Abschluß entspricht der Vorgabe aus dem Metallbereich, der sich für 1992 mit 5,4 Prozent plus Erhöhung der Einmalzahlungen ebenfalls auf 5,8 Prozent beläuft. Die Verhandlungen waren von umfangreichen Warnstreiks im Druckgewerbe begleitet. Die traditionell radikaler als andere Gewerkschaften auftretende IG Medien hatte elf Prozent gefordert. Der stellvertretende Vorsitzende und Verhandlungsführer der Gewerkschaft, Detlef Hensche, bewertete das Ergebnis als Erfolg. Allerdings sei es nicht gelungen, einen auf die Situation der Druckindustrie zugeschnittenen Abschluß zu erreichen. Dies werfe ein bedenkliches Licht auf die Tarifautonomie.

Hensche dürfte sich darüber klar gewesen sein, daß er seine Drucker nach dem Kompromiß in der Metallindustrie nicht mehr in den Streik führen konnte. Denn er hätte nicht auf die Solidarität der übrigen Gewerkschaften bauen können, die aus früheren Jahren eine gewisse Animosität gegen die „Extratouren“ der Drucker pflegen und die großen Druckerstreiks Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre zum Teil aus dem Solidaritätsfonds des DGB finanziert haben. Angesichts der erheblichen Differenz zwischen der hohen Forderung von 11 Prozent und dem erzielten Ergebnis wird sich die Gewerkschaft schwer tun, den Kompromiß ihrer Basis zu vermitteln. Die hatte immer noch auf eine sechs vor dem Komma gehofft. Martin Kempe