Rot-Grüne Mehrheiten in den Bezirken

■ Große Koalition geht geschwächt aus den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen hervor/ PDS in Ostberlin stabil/ Reps und Grüne legten zu/ Republikaner-Gewinne vor allem im Westen

Berlin. Bereits bei Schließung der Wahllokale stand der Sieger der Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen fest. Sie war zwar bei keiner der Politikerrunden am gestrigen Abend vertreten, aber mit 40 Prozent der Wahlberechtigten stellt die "Partei der Nichtwähler" zukünftig die stärkste Fraktion in der politischen Landschaft Berlins. Die Wahlmüdigkeit hat damit gegenüber den Vorjahren erheblich zugenommen. An den letzten Bezirkswahlen in West-Berlin im Januar 1989 waren knapp 80 Prozent der Wähler beteiligt, bei den ersten Kommunalwahlen Ost-Berlins im Mai 1990 gingen noch 70,6 Prozent zur Urne.

Im Vorfeld war die geringe Wahlbeteiligung als ein Grund für das befürchtete Erstarken der Rechten gewertet worden.

Diese Prognose wurde durch das Ergebnis bestätigt. Nach der ersten Hochrechnung von 20.00 Uhr erzielten die "Republikaner" einen Stimmanteil von 8 Prozent. Den weitaus größten Zulauf erhielten die Rechten mit 9,5 Prozent im Westen, wohingegen nur 5,4 Prozent der Ost-Berliner ihnen ihre Stimme gaben. Damit übertraf die Partei ihr Ergebnis von 1989, mit dem sie in die Parlamente zog, um 0,4 Prozent. Bei den Abgeordnetenhauswahlen im Dezember 1990 waren die Rechtsradikalen nur noch auf 3,1 Prozent gekommen.

Der SPD gelang es, wieder den ersten Rang unter den Parteien einzunehmen. Allerdings blieb sie mit 31,6 Prozent bei dem gleichen niedrigen Niveau, auf das sie bei den Abgeordnetenhauswahlen 1990 abgesackt war. 30,4 Prozent hatten sie damals gewählt, 8,4 Prozent weniger als 1989 in West-Berlin und 2,5 Prozent weniger als 1990 im Mai 1990 in Ost-Berlin.

Die CDU stürzte von ihrem Spitzenergebnis von 40,4 Prozent, das sie bei den Abgeordnetenhauswahlen erzielt hatte, auf 27 Prozent. Bei den letzten Bezirkswahlen entfielen auf die Christdemokraten noch 35,6 (West-Berlin) bzw. 18,1 (Ost-Berlin) Prozent. Vor allem im Ostteil ist die CDU deutlich abgesackt. Dort erzielte sie nur noch 14,1 Prozent, im Westen wurde sie noch von 34 Prozent gewählt

Die Grünen konnten, nach ihrem Einbruch bei den Abgeordnetenhauswahlen, bei denen sie nur 5 Prozent erzielten, mit 14 Prozent in den Westbezirken sogar ihr 89er Ergebnis um über ein Prozent übertreffen. Das Bündnis 90 konnte mit 13,5 Prozent ihre Ergebnis vom Mai 1990 halten. In Kreuzberg bestand nach den Hochrechnungen von 20 Uhr sogar zum ersten Mal die Möglichkeit, daß die Grünen den Bezirksbürgermeister stellt. Dort lagen die Alternativen mit der SPD bei 29,2 Prozent gleichauf. Die CDU wurde nur von 21 Prozent der Kreuzberger gewählt und die PDS in ihrem westlichen Spitzenbezirk von 2,6 Prozent. Unerwartet stark werden die Republikaner im Kreuzberger Bezirksparlament vertreten sein. Sie erhielten in der alternativen Hochburg 10,5 Prozent. Die PDS behielt mit 30 Prozent in den Bezirken Ost-Berlins ihre starke Stellung bei. In den Westbezirken konnte sie hingegen kaum Wähler gewinnen. Allerdings wird die PDS zumindest in Marzahn ihre Spitzenposition abgeben müssen. Dort wurde sie von der SPD überrundet.

Die FDP konnte sich mit 4,9 Prozent gegenüber den letzten Bezirkswahlen, bei denen sie 3,3 (West-Berlin) bzw. 2 (Ost-Berlin) Prozent erzielte, verbessern, allerdings konnte sie nicht an ihr gute Ergebnis vom Dezember 1990 von 7,1 Prozent anknüpfen. Mit den Bezirkswahlen sackte die politische Basis der Großen Koalition im Abgeordnetenhasu von 70,8 auf 57 Prozent. Zu den ersten Gesamtberliner Kommunalwahlen seit 1946 waren 2,5 Millionen Berliner zu den Urnen gerufen worden. 1.558.000 West-Berliner und 964.344 Ost-Berliner. Zur Wahl hatten sich insgesamt 27 Parteien und Wählergemeinschaften gestellt. Über 260.000 Berliner hatten eine Briefwahl beantragt, 200.000 mehr als bei den ersten Gesamtberliner Wahlen. dr