LitauerInnen bremsen Landsbergis

Die Bevölkerung der Baltenrepublik stimmt gegen die Einführung eines starken Präsidentenamtes  ■ Aus Vilnius Klaus Bachmann

Litauens Bevölkerung hat am Samstag Vitautas Landsbergis die erforderliche Mehrheit für die Einführung des Präsidentialsystems verweigert. Bei dem von dem litauischen Parlamentspräsidenten durchgesetzten Referendum, bei dem sich die absolute Mehrheit der Stimmberechtigten — und nicht der tatächlichen Wähler — für eine Verankerung des Präsidentenamts in der vorläufigen litauischen Verfassung hätte aussprechen müssen, folgten dem Parlamentspräsidenten nur 40%. Die Wahlbeteiligung betrug 58%. Noch vor einem Jahr hatten bei der Abstimmung über die Unabhängigkeitserklärung Litauens dagegen 85% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.

Von den Bürgern, die zu den Wahllokalen gingen, waren allerdings 70% für die Einführung des Präsidentenamtes.

Damit ist Landsbergis' Versuch, noch vor der Verabschiedung einer Verfassung ein mit weitgehenden Vollmachten ausgestattetes Präsidentenamt zu etablieren und sich selbst zum „starken Mann“ Litauens wählen zu lassen, vorerst gescheitert. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, daß in der im Parlament zur Zeit erarbeiteten Verfassung dennoch ein Präsidentenamt vorgesehen wird — allerdings zu den Bedingungen der oppositionellen Parlamentsmehrheit, die die Machtbefugnisse des zukünftigen Präsidenten eher gering halten möchte.

Nationale Minderheiten bleiben Wahlurnen fern

Die Abstimmungsniederlage für das regierende Lager um Landsbergis und Premier Vagnorius kommt für diese überraschend. Umfrageergebnisse, die von der litauischen Presse vor dem Referendum verbreitet worden waren, hatten eine klare Mehrheit für Landsbergis vorausgesagt. Daß es anders kam, lag vor allem an der Wahlmüdigkeit der Bevölkerung, die Wahlbeteiligung lag nur in drei Städten über 50%, in Vilnius sogar weit darunter. Die Opposition aus Sozialdemokraten, exkommunistischer Partei der Arbeit und Liberalen hatte sich bereits Wochen vor dem Referendum gegen die Einführung eines Präsidentenamtes vor der Verabschiedung der Verfassung ausgesprochen.

Die polnische Fraktion im Parlament, die fast überwiegend dem linken Lager zugerechnet wird, hatte sogar unverhohlen zum Abstimmungsboykott aufgerufen. So lag die Wahlbeteiligung der nationalen Minderheiten weit unter dem Durchschnitt, in den Bezirken mit überwiegend polnischer Bevölkerungsmehrheit in Ostlitauen und um Vilnius lag sie gerade bei 15%.

Nach Bekanntgabe der Abstimmungsergebnisse kündigte Landsbergis die Ausschreibung von Neuwahlen noch in diesem Jahr an. In den letzten Wochen hatte die Oppositionsmehrheit im Parlament einige wesentliche Vorlagen der Regierung abgelehnt, darunter auch Vagnorius Versuch einer Kabinettsumbildung. Vagnorius hatte daher wenige Tage vor dem Referendum seinen Rücktritt eingereicht, den Landsbergis allerdings nicht angenommen hat.

Litauens Linke im Aufwind

Die Befürchtung, durch Neuwahlen werde sich die Parteienlandschaft im Parlament noch weiter zersplittern, teilte Landsbergis vor dem Referendum nicht: „Ich hoffe, daß sich die zerstrittenen Parteien zusammenraufen werden.“

Das Ergebnis vom Samstag bedeutet allerdings eine Stärkung besonders für die linke Opposition, deren Kopf, der frühere Vizepremier Algirdas Brazauskas, als aussichtsreichster Gegenkandidat Landsbergis bei Präsidentschaftswahlen gilt.