Die Sprache findet das Thema

■ Nachwuchs-Vertreter auf dem Theatertreffen: Werner Schwab und Christian Stückl mit »Volksvernichtung« im Spiegelzelt

Das Berliner Theatertreffen setzt 1992 auf den Nachwuchs: Volksvernichtung oder Meine Leber ist sinnlos nennt sich die »Radikalkömodie« des Grazer Dramatikers Werner Schwab (34), die 1991 auf dem Stückemarkt des Theatertreffens vorgestellt und noch im selben Jahr von dem in Oberammergau gebürtigen Christian Stückl (30) im Werkraum der Münchener Kammerspiele uraufgeführt wurde. In diesem Jahr nun ist Stückls Inszenierung mit dem Prädikat »bemerkenswert« von der Berliner Jury ausgezeichnet worden.

Das sei ein Beweis dafür, daß die deutsche Theaterlandschaft noch für Überraschungen gut ist, betonte der Leiter der Podiumsdiskussion im Ballhaus Rixdorf. Anerkennend hob er den Verdienst der Münchener Kammerspiele hervor, die sich für neue Autoren und junge Regisseure eingesetzt hätten — Lobesworte, die der anwesende Dieter Dorn als Entschädigung für seinen nicht eingeladenen König Lear mit nach Hause nehmen durfte.

Werner Schwab schienen diese Lorbeeren eher unangenehm zu sein. So wehrte sich der Autor dagegen, als »politischer« oder gar sozialkritischer Dramatiker hingestellt zu werden. »Nicht das Thema findet die Sprache, sondern es ist genau umgekehrt«, kommentiert er seinen Text. Als unbekannter Dramatiker habe er die Wahl gehabt, sich entweder der Konvention zu beugen oder aber mit einem eigenen Sprachstil aufzufallen. Er entschied sich für das letztere, und der Erfolg scheint ihm recht zu geben, denn die Sprache in Schwabs Stücken ist zu seinem Markenzeichen geworden.

Für die Schauspielerin Doris Schade war dies auch der entscheidende Punkt, die Rolle der Frau Grollfeuer im Stück zu übernehmen. »Das Schönste und Einzigartigste kann man aus der allerbesten und einer möglichst entrückten Sprache machen«, sagt sie dort. Schade nur, daß der Autor seinem Text nicht gerecht wird. Zu sehr gefiel er sich in der Rolle des elitären und intellektuellen Enfant terrible; das Wittgenstein und Adorno zitieren kann, seine Umgebung gerne vor den Kopf stößt und den Brötchengeber Theater als »reaktionär« beschimpft.

Konsterniert wollte denn auch Christian Stückl wissen, ob es für Schwab überhaupt noch einen logischen Grund gebe, für das Theater zu schreiben, wenn er meine, daß man als Autor dort nur verblöden könne? Bedauerlich, daß sich der Moderator diese Gelegenheit entgehen ließ, hier nachzuhaken.

Dem Regisseur Christian Stückl ist sein kometenhafter Aufstieg eher unheimlich, und er nimmt sich neben dem bramabasierenden Schwab bescheiden aus. »Ich definiere mich nicht gegen andere, denn ein Umbruch kommt, wenn er kommt, ganz von alleine«, sagte er in einem Interview mit der 'SZ‘. Seine realistische Inszenierung läßt sich auch nicht so spektakulär an, wie man es von einem Schwabschen Text erwarten könnte. »Es sind einfach furchtbar geile Rollen, die wir da spielen«, bringt es Michael Tregor, der Darsteller des Herrmann, auf den Punkt, und die Anwesenden klatschen ihm Beifall.

Sabine Kanlitzki