Keine Lobby für Ausländer

■ Der irakische Staatsbürger Saleh Hussain, bisher Bezirksabgeordneter von Bündnis 90 in Pankow, kommentiert den Wahlausgang

Noch auf Grundlage des im März 1989 von der SED verabschiedeten kommunalen Wahlrechts wurde der Iraker Saleh Hussain bei den ersten demokratischen Kommunalwahlen am 6. Mai 1990 ins Bezirksparlament Pankow gewählt. Mit ihm zogen auch in anderen Gemeinde- und Kreisräten AusländerInnen ein. Einzige Bedingung war eine Aufenthaltsgenehmigung oder ein fester Wohnsitz sowie ein mindestens halbjähriger Aufenthalt in der DDR.

Doch im Oktober 1990 entschied das Bundesverfassungsgericht, das Kommunalrecht für Ausländer sei »verfassungswidrig«. Saleh Hussain, dessen Zeit als »wandelnder Verfassungsbruch« nun vorbei ist, arbeitet im Büro der Berliner Ausländerbauftragten Barbara John.

taz: Mit den jetzigen Wahlen sind Sie als Vertreter des Bündnis 90 abgewählt worden. Bedauern Sie das?

Saleh Hussain: Eigentlich ja. Denn jetzt ist der Ausländeranteil in der ehemaligen DDR größer geworden. Da wäre es angebracht gewesen, daß das Wahlrecht für Ausländer ausgebaut und nicht abgeschafft wird. In der DDR war ihre Zahl klein und denoch gab es dieses Recht.

Sie haben sich in Pankow besonders um Ausländer gekümmert?

Wir haben uns vor allem innerhalb des Ausländerausschusses mit Fragen des Asylheims in Pankow befaßt und versucht, ein Zusammenleben zwischen Aus- und Inländern zu fördern. Zum Teil ist uns das gelungen, zum Teil war das schwierig.

Was ist gelungen?

Wir haben die Bürger für die Situation in diesem Asylheim sensibilisieren können. Es wurde viel Hilfe geleistet, auch durch die Arbeit des Ausländerausschusses.

Gab es im letzten Herbst, als die Anzahl der Anschläge auf Flüchtlinge so erschreckend stieg, auch in Pankow Probleme?

Es gab auch hier Probleme, aber sie waren relativ gering. Und es gab auch die ersten Mahnwachen vor dem Asylheim und den Wohnheimen der Vietnamesen.

Am Sonntag durfte jeder zehnte Berliner nicht wählen, weil er oder sie einen ausländischen Paß hat. Sind Sie für ein kommunales Wahlrecht?

Die Leute, die hier brav ihre Steuern zahlen, sollen auch wählen dürfen. Daß der Staat von ihnen Gelder abzieht, sie aber nicht wählen läßt, ist eigentlich ein Paradoxon.

Nun ist es ja immer sehr begrenzt, was man auf der Ebene der BVV bewirken kann.

Aber die Ausländer haben deshalb keine Lobby, weil sie kein Wahlrecht haben. Wenn sie ein Wählerpotential darstellen würden, dann könnten die Politiker nicht länger Sprüche über ihre Köpfe hinweg machen.

Wie schätzen Sie den Stimmenzuwachs für die Reps ein? Im Osten ist er ja erstaunlich gering.

Ich bin darüber auch erstaunt. Dennoch glaube ich, Schönhuber hat recht, wenn er sagt, daß die etablierten Parteien die Vorschläge der Reps aufgenommen und sogar radikalisiert weitergeführt haben. Die Äußerungen der Parteien sehen alle so aus, als seien sie Handlanger von Schönhuber. Deshalb wundert mich es nicht, daß viele das Original wählen.

Im Osten scheint aber das rechtsradikale Wählerpotential kleiner zu sein als im Westen, während umgekehrt das Aktionspotential der rechtsradikalen Schläger größer zu sein scheint.

Das stimmt wohl. Aber vielleicht merken die Leute langsam, daß die Schlägertrupps nicht nur Ausländer bedrohen, sondern auch sie selbst: alte Leute, Homosexuelle und andere.

Wie ist denn die Stimmung nach den Wahlen unter den Ihnen bekannten Ausländern?

Ich habe gerade mit einer türkischen Kollegin aus Kreuzberg geredet. Auch ihre Stimmung ist gedämpft. Sie kann nicht verstehen, daß Wahlberechtigte aus ihrem Bekanntenkreis nicht wählen gegangen sind, was dann zu 10,5 Prozent für die Reps in Kreuzberg führte. Sie würde liebend gerne wählen. Interview: Ute Scheub