Bezirks-Koalition gegen die PDS

■ CDU will Absprache gegen PDS-Bürgermeister/ Diepgen über Wahlschlappe enttäuscht, Momper nicht unzufrieden und Grüne/ Bündnis 90 frohen Mutes

Berlin. »Wenn ich Bündnis-90- Mann wäre, würde ich auch solch einen Unsinn vortragen«, entgegnete Eberhard Diepgen gestern, als die Bürgerrechtler in Anbetracht des Wahlergebnisses die politische Legitimation des Regierungschefs in Frage stellten. Nun ist der Regierende Bürgermeister kein »Bündnis-90-Mann«, auch wenn er mit den Alternativen seit dem Sonntag das Ostgefühl teilt, Mitglied einer 14-Prozent-Partei zu sein.

Während die Bürgerbewegten nach dem Wahlsonntag »frohen Mutes« sind, spricht Diepgen von einer »eindeutigen Schlappe« für seine Partei. Er kann noch nicht einmal »Honig daraus saugen, daß die SPD ebenfalls nicht so gut abgeschnitten hat«. Diepgen hat eine »herbe Enttäuschung« erlebt, vor allem im Osten; doch, so wehrt er die aufkeimenden Diskussionen um seine Person ab, »der Bürgermeister stand nicht zur Wahl, der Senat stand nicht zur Wahl, und nun wollen wir mal die Kirche im Dorf lassen«.

Konsequenzen für die Regierungspolitik will er nicht ziehen. Die Zusammenarbeit im Senat mit dem Ziel, die gleichen Lebensverhältnisse herzustellen, müsse fortgesetzt werden. Nach eineinhalb Jahren, so seine Analyse, konnten noch nicht alle Ergebnisse den Berlinern deutlich gemacht werden. »Da muß noch mehr getan werden.« Es bedürfe, so Diepgens Schlußfolgerung, »stärkerer Information und stärkerer Beachtung der Erfahrungsunterschiede«.

Absprachen im Geist der Koalition

Die »eigentliche Herausforderung für die Politik« macht der CDU-Vorsitzende in dem »Abschneiden der kommunistischen PDS« aus. Deren Einfluß dürfe nicht zur Regierungslähmung führen.

Deshalb forderte Diepgen die SPD zu einer Wahlabsprache für die Bezirksämter auf. Wer von beiden jeweils die stärkere Bezirksfraktion stellt, soll vom Koalitionspartner bei der Wahl des Bezirksbürgermeisters gestützt werden. Wo erforderlich, will man auch das Bündnis 90 in diese Wahlliaison einbeziehen. Damit soll in den Bezirken, in denen die PDS stärkste Partei ist, deren Bürgermeisterkandidat verhindert werden. Kungelei kann Diepgen in einem solchen Vorgehen nicht erkennen, es komme darauf an, deutlich zu machen, welche Gespräche ablaufen. Die Sozialdemokraten, da ist er sicher, werden diese Aufforderung, die dem Geist der Koalitionsvereinbarung entspreche, nicht ignorieren.

Auch der SPD-Landesvorsitzenden Walter Momper hält es »für falsch und unerträglich«, wenn die PDS Einfluß auf die Bezirksamtsbildung bekomme. Doch, so läßt er den Koalitionspartner die verschobenen politischen Gewichte in der Koalition spüren, werde die SPD nicht nur mit der CDU, sondern auch mit den anderen demokratischen Parteien über die Besetzung der Bezirksposten sprechen. Im übrigen sei man in der Müllerstraße kein Politbüro und wolle die Eigenständigkeit der Bezirke achten. Momper ist »nicht unzufrieden« über das »homogene Ergebnis«, das seine Partei in Ost- und West-Berlin erzielt hat. Er sieht darin einen »strategischen Vorteil«, deutet jedoch nur an, wofür er ihn nutzen will. Die Große Koalition, so macht er Druck, müsse »ihre Handlungsfähigkeit nachweisen«, die Leisetreterei in Bonn müsse aufhören und die politische Konzeption zur Verwaltungsreform endlich entwickelt werden.

Der PDS-Landesvorsitzende André Brie hat bereits befürchtet, daß die Tendenzen zur Ausgrenzung seiner Partei nach dem Ergebnis vom Sonntag stärker werden, doch sei die PDS »aus der Zeit raus, wo sie sich alles gefallen ließ«. Die PDS fühlt sich als der eigentliche Gewinner der Wahl; in Ost-Berlin, so verkündet ihr Vorsitzender Gysi, komme man nicht mehr an ihr vorbei. Die Psychologie der Ostdeutschen wurde, seiner Einschätzung nach, von den etablierten Parteien nicht verstanden. Es sei eine Wende in der Politik gegenüber den Ostdeutschen erforderlich. Auch die Grünen/ Bündnis 90, die sich seit Sonntag rühmen können, stärkste Oppositionspartei zu sein, sehen in dem Wahlergebnis eine »klare Absage an den Verlauf des Einigungsprozesses«. Das ist für das Vorstandsmitglied Rita Keil ein Grund, weshalb in den Ostbezirken Ostgruppen gewählt worden seien. Es gehe eine tiefe Spaltung durch die Stadt, und es sei deutlich geworden, daß nichts so bleiben könne, wie es ist. Dieter Rulff