„Eins auf die Bademütze bekommen"

Bei den Berliner Kommunalwahlen erlitt die CDU vor allem im Ostteil der Stadt eine herbe Niederlage/ Kein Durchmarsch der „Republikaner“/ PDS profitierte vom Vereinigungsfrust  ■ Aus Berlin H.-M. Tillack

„Wir haben eins auf die Bademütze bekommen“, so bemüht locker kommentierte der Berliner Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) das Wahlergebnis seiner Partei bei den Kommunalwahlen. Schon in den letzten Tagen war von Umfragen gemunkelt worden, nach denen die CDU bei nur 28 Prozent landen würde. Doch daß es dann wirklich so schlimm kommen würde, damit hatten die Christdemokraten nicht gerechnet. Mit stadtweit 27,5 Prozent hat die Partei des Senatschefs nur noch gut ein Viertel der Wähler hinter sich — ein Viertel derjenigen 61,2 Prozent, die überhaupt zur Urne gingen. Im Ostteil sackte die CDU mit 14,3 Prozent sogar auf das Niveau von Alternativer Liste/Die Grünen und Bündnis90 ab.

Bei den Abgeordnetenhauswahlen am 2. Dezember 1990 hatte die CDU stadtweit noch satte 40 Prozent bekommen. Und Diepgens sportlicher Tonfall konnte kaum darüber hinwegtäuschen, daß die WählerInnen den Senatschef — wären am Sonntag Abgeordnetenhauswahlen gewesen — vom Platz gestellt hätten. „Wie will Diepgen mit 14 Prozent im Ostteil Regierender Bürgermeister sein?“ fragte die Fraktionschefin von Bündnis 90/Grüne im Landesparlament, Renate Künast.

Wie bescheiden die großen Parteien in Berlin schon geworden sind, führte SPD-Chef Walter Momper vor. Daß die SPD sich mit 31,8 Prozent gegenüber den 30,4 Prozent der letzten Abgeordnetenhauswahlen behaupten konnte, daß sie den „Sprung über die Mauer“ geschafft hatte und in Ost wie West fast in gleicher Höhe abschnitt, das fand Momper „nicht unbefriedigend“.

Wie groß die Ängste der großen Parteien gewesen waren, zeigte Mompers erfreute Reaktion auf das Abschneiden der „Republikaner“. In seinen Augen war dies das eigentlich „Erstaunliche“ dieser Wahl. Vergleiche man den Rep-Anteil von 8,3 Prozent mit dem Wahlergebnis von Baden-Württemberg, dann sei ihr Vormarsch nun „zum Stoppen gekommen“.

Wie schon bei den Abgeordnetenhaus- und Bezirkswahlen im Januar 1989 wählten vor allem die Arbeiterviertel der Weststadt rechts. Im ehedem „roten Wedding“ erreichten die „Republikaner“ 14,4 und in Neukölln 12,8 Prozent — und bereiten den anderen Parteien in den Bezirksverordnetenversammlungen nun die Qual, von Rechts wegen rechte Stadträte in die Bezirksämter — die lokalen Exekutivorgane — wählen zu müssen.

Daß die Rechtsradikalen nicht so durchmarschierten, wie erwartet, ist vor allem den Ostberlinern zu verdanken. Sie wählten die Reps zwar in neun der elf Ostberliner Bezirksverordnetenversammlungen hinein. Trotzdem blieb der Rep-Anteil im Ostteil bei 5,4 Prozent stehen. Nur im Westteil kletterte er auf die 9,9 Prozent, die manche Beobachter für die Gesamtstadt erwartet hatten. Im Osten war es statt dessen die PDS, die vom Vereinigungsfrust profitierte. „Um die 20 Prozent im Ostteil“, das hätte Gregor Gysi als Erfolg gewertet. Am Ende kam die lila Säule der Wahlgrafiken erst bei 29,7 Prozent im Osten und 11,3 in der Gesamtstadt zu stehen.

Angeführt wird die Opposition in Berlin jedoch von den Grünen. Zusammen mit dem Bündnis90, mit dem sie im Abgeordnetenhaus eine gemeinsame Fraktion bilden, kamen sie stadtweit auf zusammen 13,3 Prozent und konnten damit die schwere Niederlage nach dem Scheitern der rot-grünen Senatskoalition im Dezember 1990 wettmachen. Schon diskutieren die Grünen, ob sie nun die Forderung nach Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus nachschieben sollen. Am Horizont sehen einige grüne Strategen die Möglichkeit einer Ampelkoalition aufziehen — obwohl die in den Bezirken traditionell schwache FDP mit durchschnittlich 4,8 Prozent nur in 7 der 23 Berliner Bezirke die Fünfprozenthürde überwand.

Eberhard Diepgens Senatskoalition stehen harte Zeiten bevor. Auf der einen Seite sieht die SPD ihre Position im Senat „gestärkt“, auf der anderen Seite wetzen einige Christdemokraten das Messer gegen ihren Parteichef, den „blassen Eberhard“. Rechtsaußen Heinrich Lummer empfahl Diepgen, im Interesse des Profils den Parteivorsitz abzugeben, und einige Christdemokraten überlegen schon, ob man die Förderung des Ostteils auf Kosten des Westteils nicht doch etwas übertrieben hatte. Böse Worte über die „undankbaren Ossis“ machten hinter vorgehaltener Hand auch bei der SPD die Runde.

Noch bequemer ist es für die beiden Berliner Regierungsparteien, wenn sie den Zeigefinger nach Bonn richten können. Die Berliner Wahl könne „nicht getrennt von der gesamtpolitischen Großwetterlage“ gesehen werden, mahnte Diepgen. Walter Momper assistierte: „Es ist jetzt wirklich erforderlich, daß die Bonner Politik geändert wird.“