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LASSST DAS TOR ZUAlternative Öffnung des Brandenburger Tores

■ Grüne blockieren Denkmal und zerschneiden Absperrband für Fußgänger und Radfahrer/ Verkehrssenator Haase verzichtet auf offizielle Eröffnung für Busse und Taxen

Berlin. Ein Verhalten wie einst im Wilden Westen. Einhundert Taxifahrer umkreisen mit ihren Stinkekutschen das Brandenburger Tor, innerhalb des Diesel-Karussells sitzt der Gegner an einem Tapeziertisch — die Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/ Grüne. So geschehen gestern früh um neun Uhr. Eine Stunde zuvor konnten die Grünen die offizielle Eröffnung des Denkmals, durch das seit gestern Busse und Taxen fahren sollten, verhindern. Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) gab sich geschlagen und ließ sich vom Bus der Linie 100, der für die Tordurchfahrt geschmückt gewesen war, ins Rote Rathaus fahren.

Das rote Absperrband, das die Verkehrsverwaltung zwischen den Säulen des mehr als zweihundert Jahre alten Langhans-Bauwerkes gespannt hatte, zerschnitt die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Grünen, Renate Künast. Die alternative Öffnung für Radfahrer und Fußgänger sei in ihrem Leben »ein großer historischer Augenblick«. Bis Redaktionsschluß war die improvisierte Fraktionssitzung ununterbrochen von Schaulustigen, Bezirksstadträten aus Mitte und Tiergarten sowie Vertretern verschiedener Verkehrsinitiativen umgeben. Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher, griff immer wieder zum Megaphon. Der Ost- und Westteil der Stadt sei mit hundertfünfzig Straßen neu verbunden worden, doch noch immer fahre keine Tram über die ehemalige Sektorengrenze, kritsierte er den Senat. Die Abgeordneten forderten, daß die Busspur für die Linie 100 auf die parallele Clara-Zetkin-Straße verlegt werde. Das Bauwerk dürfe den Erschütterungen des Verkehrs und der Abgase nicht zum Opfer fallen.

Von den Regierungsfraktionen zeigte sich nur Klaus Landowsky, Fraktionschef der CDU. Er warf dem politischen Gegner vor, das Zusammenwachsen zwischen Ost und West verhindern zu wollen. Die Sozialdemokraten glänzten durch Abwesenheit. Hans-Peter Stadtmüller, Fraktionssprecher der SPD, dementierte gegenüber der taz politische Hintergründe. Dennoch werde zur Öffnung des Brandenburger Tores das letzte Wort erst in zwei Jahren gesprochen, wenn die Testphase für Busse und Taxen beendet werde.

Während die BVG mit ihrem 100er Bus die Blockade akzeptierte und Umwege fuhr, blieben etwa 100 Taxifahrer auch in der Mittagshitze auf der Straße Unter den Linden und auf dem Pariser Platz stehen. Sie waren von dem Boulevardblatt 'Super!‘ gemietet worden und sollten Berliner wie Touristen kostenlos von Ost nach West und umgekehrt fahren. Taxifahrer Detlef Dubuy hatte gegen 14 Uhr bereits 164 Mark auf der Uhr.

Die Aktion sollte bis in die späten Abendstunden andauern. Das »Bündnis Innenstadtring« versuchte mit Unterstützung des Tempodroms, der Ufa-Fabrik und der »IG-Blech« ein spontanes Kulturprogramm zu veranstalten. Dirk Wildt

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