IN AFRIKA, WO AIDS GRASSIERT WIE NIRGENDWO SONST, SIND KONDOME ZU TEUER

„Black Panther“ im Bauchladen

Johannesburg (taz) — Die Tageszeitung 'Natal Witness‘ im südafrikanischen Pietermaritzburg wagte für das Land Unerhörtes: Mit jeder Tageszeitung gab es ein Gratis-Kondom — und bei der Zeitung hagelte es Proteste. Doch der Gag des Blattes im letzten Jahr machte Sinn: Denn ausgerechnet in Afrika, wo Aids grassiert wie sonst nirgends auf der Welt, werden nur fünf Prozent der weltweit produzierten und verkauften Kondome verbraucht. Die Gründe: Den vier großen Herstellern der Welt fehlt das Vermarktungsnetz auf dem Schwarzen Kontinent, und die „Capotes Anglaises“ (Englische Kappen), wie sie in Westafrika nach französischem Vorbild heißen, sind zu teuer.

Nach den Studien eines US-Instituts sollte eine Familie in der dritten Welt nicht mehr als ein Prozent des Einkommens für den Kauf von Präservativen ausgeben. Das Durchschnittseinkommen in Afrika liegt bei 870 Dollar pro Einwohner. In der Hälfte der untersuchten 29 Länder lagen die Kosten bei zehn Prozent. In Äthiopien, so eine gerade veröffentlichte weitere Untersuchung, muß eine Familie jährlich 35 US-Dollar für die Empfängnisverhütung aufbringen — in dem ostafrikanischen Land stellt dies ein Drittel des Pro- Kopf-Einkommens dar. Weltweit werden in diesem Jahr nach Schätzungen von Organisationen, die sich der Aids-Bekämpfung widmen, zwölf bis 17 Milliarden Kondome verkauft werden — mit enormen Profiten für die vier Unternehmen London International, Carter-Wallace, Okamato Industries und Dunlop-Pacific, die den Löwenanteil des Weltmarktes unter sich aufteilen. London International beherrscht alleine 90 Prozent des britischen Marktes und 45 Prozent des europäischen, der eine Zuwachsrate von jährlich 15 Prozent aufweist.

Doch während die Packungen in Deutschland in beinahe jeder Kneipe zu haben sind, müssen Kondome in Afrika per „Social Marketing“ an den Mann gebracht werden — von ambulanten Verkäufern mit Bauchläden oder im Haus-zu-Haus-Verkauf. Doch selbst Hilfsorganisationen kapitulieren vor den Kosten. Die US-Hilfsorganisation US-AID, die 1990 noch 175 Millionen der 264 von Hilfsorganisationen in Afrika verteilten Kondome beschaffte, kürzte ihre Käufe Ende des vergangenen Jahres um 20 Prozent — die in den USA gekauften Präservative sind dreimal teurer als die, die andere Hilfsorganisationen einkaufen.

Experten kalkulierten vor einiger Zeit, daß in dem 12,5 Millionen Einwohner zählenden Uganda täglich zwei Millionen Menschen miteinander schlafen. Umgerechnet auf Afrika mit seinen im Jahr 1988 geschätzten 610 Millionen Einwohnern wird bei 850 Millionen jährlich auf dem Schwarzen Kontinent verbrauchten Kondomen gerade einmal in 43 Fällen ein Präservativ benutzt. Zum Vergleich: Einer von 40 Afrikanern südlich der Sahara gilt als HIV-infiziert.

Der Gebrauch von Kondomen wird in Afrika sowohl durch die Einwände der katholischen Kirche wie afrikanische Sitten behindert. Aber bei entsprechenden Preisen greifen auch Afrikaner auf das Kondom zurück, wie die Erfahrungen der Entwicklungshilfeorganisation „Population Services International“ (PSI) zeigen. In der Elfenbeinküste verkaufte die Gruppierung im März 1991 ganze 15.000 Kondome mit dem Markennamen „Prudence“. Im November lag die Zahl bei 235.000. Die Verkäufe der in kommerziellen Läden erhältlichen Kondome stagnierten für das ganze Jahr bei 600.000 Präservativen — trotz günstigem Preis und dem Markennamen „Black Panther“. Willi Germund